Das nickende Negerlein hat ausgedient
Auf dem Ladentisch meines Grossvaters stand ein Negerlein auf einem Sockel. Mit einer Münze, die man in den Schlitz im Sockel warf, konnte man dieses Negerlein zum Nicken bringen. (Text: Hans-Rudolf Müller-Nienstedt)
Einmal im Jahr gab es damals in der Turnhalle unseres Dorfes einen Lichtbildervortrag von einem Kapuziner- oder einem Benediktinerpater über Afrika mit vielen fröhlich lachenden schwarzen Gesichtern. Diese beiden Eindrücke prägten mein kindliches Wissen über die damalige Beziehung zwischen der Schweiz und Afrika, dem Eigenen und der Fremde: Unsere Missionare brachten Gutes in die Fremde und die Fremden dankten es uns.
Dass mit der Gabe dieser freundlichen Gesten aus der Schweiz und aus Europa immer das Nehmen von Schätzen verbunden war, lernte ich erst später – allerdings nicht im Geschichtsunterricht.
Heute illustrieren härtere Bilder die Beziehungen zwischen der Schweiz und der Fremde. Schweizer Firmen, Rohstoffkonzerne etc. machen Milliardengeschäfte in armen Ländern, richten dort riesige soziale und Umwelt-Schäden an und verlagern ihre Gewinne in Länder mit Niedrigst-Steuern. Schweizer Waffen spielen nicht selten eine Rolle in den Kriegen und Konflikten, die wir vom gemütlichen Sofa aus auf dem Fernsehschirm mitverfolgen können.
Näher auf den Leib rücken uns die Folgen der dort entstandenen Schäden und Kriege durch Flüchtlinge – die wenigen Flüchtlinge, die es bis zu uns geschafft haben. Seit Henri Dunant hat die Schweiz ein hehres Bild von sich selbst als Land, in dem Verfolgte, Flüchtlinge Schutz finden. Dieser Grundsatz ist dem Asylgesetz Pate gestanden. Schon Henri Dunant musste an der Grösse und Übermacht der Probleme verzweifeln. Und auch wir heute können nicht alle Probleme lösen, nicht einmal alle, die wir selbst mitverursachen.
Aber wir können uns nicht um unsere Mitverantwortung drücken. Wir sind verpflichtet, jedem Menschen, der zu uns kommt, mit Respekt zu begegnen. Ein NEIN gegen die Verschärfung des Asylgesetzes ist ein kleiner Beitrag. Aber es ist ein Beitrag.
Henri Dunant: „Helfen, ohne zu fragen, wem!“ Wie würde sich wohl der Genfer Kaufmann und Philanthrop zur Art der staatlich geplanten „Zentren“ äussern?