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Täuschend echte Notärztin

Kreuzlingen – Razzia in Konstanz, Gerüchte um Medikamentenmissbrauch und auch noch eine falsche Ärztin – das Herz-Neuro-Zentrum Kreuzlingen hatte schon mal bessere Schlagzeilen. Für Geschäftsführer Martin Costa haben die Kontrollmechanismen gegriffen.

Eine falsche Notärztin konnte sich beim Herz-Neuro-Zentrum in Kreuzlingen einschleichen, was Folgen haben soll. (Bildmontage: erysipel/pixelio.de/sb)

Eine falsche Notärztin konnte sich beim Herz-Neuro-Zentrum in Kreuzlingen einschleichen, was Folgen haben soll. (Bildmontage: erysipel/pixelio.de/sb)

Obwohl Costa gerade im Urlaub weilt, war es möglich, von ihm Antworten zu dem mysteriösen Fall der Notärztin ohne Approbation in Kreuzlingen zu erhalten. Demnach war die Frau «von Mai bis Anfang Juni während neun Einsatztagen als Ärztin im Stellvertreterstatus in unselbständiger Tätigkeit eingesetzt». An Operationen sei sie nicht beteiligt gewesen, auch nicht assistierend. «Nach Bekanntwerden erster Verdachtsmomente haben wir unverzüglich gehandelt und die Tätigkeit der fraglichen Person sofort eingestellt», so Costa.

Wie ist weiter unklar
Interessant bleibt aber, auf welche Weise sich die 51-Jährige den Notarztjob am Herz-Neuro-Zentrum nach sieben Stationen in Kliniken und Praxen innert der vergangenen fünf Jahre in der Deutschschweiz erschleichen konnte – mittels Fälschung entsprechender  Zeugnisse oder unzulänglicher Prüfung der Unterlagen und Aussagen der Bewerberin durch die jeweiligen Verantwortlichen.

Roland Ballier, leitender Notarzt aus Kreuzlingen, kann nur vermuten: «Möglicherweise wurden gefälschte Papiere vorgelegt oder die Vorlage entsprechender Zeugnisse zwar zugesagt, aber nicht vollzogen.» Näheres könne er nicht beurteilen. Martin Costa trägt kaum zur Aufhellung bei und bleibt mit seiner Antwort nebulös: «Selbstverständlich erfolgt der Einsatz von Ärztinnen und Ärzten jeweils erst nach einem eingehenden Bewerbungsgespräch und nach detaillierter Vorlage und genauer Sichtung der notwendigen Unterlagen.» Zum Zeitpunkt der Einstellung habe es dem Geschäftsführer zufolge «keine Anhaltspunkte» für eine Täuschung gegeben, im Gegenteil: «Es waren im betreffenden Fall auch gute Arbeitszeugnisse mit Bezug auf den Einsatz als Ärztin in anderen Kliniken vorhanden.»

Strafuntersuchung läuft
So muss die Öffentlichkeit warten, bis die Staatsanwaltschaft Zug mit ihren Ermittlungen Licht ins Dunkel bringt. Mediensprecher Marcel Schlatter lässt wissen, dass gegen die Beschuldigte nach einer Anzeige aus der Klinik Meissenberg in Zug eine Strafuntersuchung eingeleitet worden sei. Verdachtsmomente seien unlauterer Wettbewerb, ärztliche Tätigkeit ohne Bewilligung und Urkundenfälschung. «In diesem Zusammenhang wurde bei der Frau Mitte Juni von uns eine Hausdurchsuchung gemacht und sie wurde befragt», so Schlatter. Die falsche Ärztin wohnt im Kanton Thurgau und ist auf freiem Fuss.

Laut Staatsanwaltschaft Thurgau laufen bei ihr keine Strafuntersuchungen in diesem Zusammenhang, weil keine Anzeige vorliegt und hier keine Person zu Schaden gekommen ist. Dies bestätigt auch Kantonsarzt Mathias Wenger von der ärztlichen Aufsichtsbehörde, der bei seinem Amt keine Pflichtverletzungen sieht: «Von uns hätte die Frau nie und nimmer eine Bewilligung bekommen, das eingereichte Dossier war mehr als lückenhaft.» Die Herzklinik habe laut Gesetz 30 Tage Zeit gehabt, für die Bayerin eine Arbeitserlaubnis einzuholen.

Konsequenzen gefordert
«Von einem Skandal möchte ich nicht sprechen», so Wenger. Die Klinik habe ja schliesslich einen Monat Zeit zur Prüfung gehabt und entsprechend reagiert. Roland Ballier fordert dennoch Konsequenzen aus dem Vorfall: «Gerade bei Ärzten, die als Notärzte eingesetzt werden, muss vor Übernahme des ersten Dienstes Eignung und Qualifikation strikt überprüft werden.» Die medizinischen Ansprüche und Herausforderungen an den Arzt in lebensbedrohlichen Situationen, die alle Fachdisziplinen betreffen können, seien besonders hoch: «Fehlende oder mangelnde Erfahrung kann sich unter Umständen negativ auswirken.»

Wo immer möglich sollten nach Meinung Balliers Notärzte mit SGNOR-Qualifikation bevorzugt zum Einsatz kommen. Dabei handelt es sich einen Fähigkeitsnachweis der Schweizerischen Gesellschaft für Notfall- und Rettungsmedizin, über den aber nur wenige Ärzte verfügen, zum Beispiel die fünf leitenden Notärzte im Thurgau. Als einer von ihnen hatte Ballier selbst zwar nie persönlich mit der Frau zu tun, weiss aber von anderen, dass sie einen «fachlich qualifizierten» Eindruck hinterlassen  und es «keine Beanstandungen» gegeben habe.

Mehr Sorgfalt angemahnt
Was rechtliche Folgen anbelangt, sind dem Kantonsarzt die Hände gebunden, da sich das Herz-Neuro-Zentrum innerhalb der 30 Tage-Frist von der Frau trennte. «Bei mehr als 30 Tagen gibt es eine Verwarnung, im Wiederholungsfall wird gebüsst», so Mathias Wenger. «Ich habe aber zu Herrn Costa gesagt, dass man im Herz-Neuro-Zentrum künftig sorgfältiger sein muss.»

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