Verteidigung stellt Beschuldigten als Opfer der Umstände dar
Kreuzlingen – Der Beschuldigte sei von der Anklage des Mordes freizusprechen, so die Verteidigung im Illighauser Mord-Prozess. Sie fordert sechs Jahre wegen Totschlags. Die Urteilseröffnung findet morgen um 15 Uhr statt.
Nach einer Pause gab Richter Urs Haubensak heute um 10.30 Uhr der Verteidigung das Wort. In seinem fast zweistündigen Plädoyer warf Rechtsanwalt Thomas Leu der Staatsanwaltschaft massive Verfahrensfehler vor. «Eine Anklage wegen Mordes ist unzulässig», so Leu. Zudem schilderte er die Sicht des Angeklagten und die Umstände, welche zur Tat führten.
Leu stellte den Angeklagten als Täter und Opfer zugleich dar. Der heute 43-jährige Peruaner habe sehr unter der sich immer weiter verschlimmernden Beziehungssituation gelitten, wollte aber dem Sohn ein guter Vater sein – was die Mutter nicht zuliess, sie habe versucht, ihn vom Kind fernzuhalten. Die Lebenspartnerin habe den Mann ständig gedemütigt, ja sogar in zwei Situationen mit dem Messer bedroht.
Am Tag der Tat sei sie es gewesen, die ihn mit dem Messer angriff. Dies belegten Blutspuren am Tatort. Der Mann habe bereits geblutet, als er zum Messer griff. Mit rund zwei Promille war er alkoholisiert, seine Schuldfähigkeit auch wegen der emotionalen Situation, er war mittelgradig depressiv, eingeschränkt.
Während allen Ausführungen sitzt der Angeklagte meist mit gesenktem Kopf da. Seine Erscheinung ist gepflegt, er wirkt jünger. Ohne grosse sichtbare Regungen verfolgt er den Prozess.
Die Staatsanwaltschaft wies in ihrer Replik Fehler bei der Verfahrensführung zurück. Als «ausserordentlich dreist» bezeichnete Staatsanwalt Patrik Müller die Verteidigungsstrategie Leus. «Keine Mutter zettelt einen Streit mit dem Messer an, wenn sie ihr Kind auf dem Arm trägt», so Müller. «Die Verteidigung versucht, das Opfer zum Täter zu machen», so Rechtsanwalt Daniel Jung, der Opfervertreter. Leu benutze dabei «zum grossen Teil unbewiesene Unterstellungen». Auf Totschlag zu plädieren sei «jenseits von Gut & Böse». Beide hielten an ihren Anträgen fest.
Auch Rechstanwalt Leu hielt an seinem Antrag fest. Das Schlusswort wurde dem Angeklagten gegeben, der sich erhob und mit gebrochener Stimme sprach. Er bedauere die Tat zutiefst, würde gern alles ungeschehen machen, sagt der Mann. Er habe durch die Tat die Frau, die er geliebt habe, verloren und könne auch seinen Sohn niemals mehr wiedersehen. Er werde sein ganzes Leben mit der Schuld leben müssen. «Das ist meine grösste Strafe. Es tut mir so leid, es tut mir wirklich leid.»