Bis in die letzte Kapillare ein Künstler
Kreuzlingen – Letzten Freitag lud die Venenklinik Bellvue in Kreuzlingen zur Vernissage des Künstlers Jürg Schoop. Absolut sehenswert, findet Rolf Siebenmann.
Eine beachtliche Schar von Freunden, Bekannten und Interessierte liessen es sich nicht nehmen, die Retrospektive seines langjährigen Schaffens unter dem Motto IN & OUT in den Räumen der Klinik zu bewundern. Er dankte Frau Claudia Buchert sowie Beat Kressibucher für deren Organsiation der Ausstellung und Hängung der Bilder.
Zur Eröffnung der kleinen Feier begrüsste der Leiter der Venenklinik Dr. Jürg Traber die Schar der Besucher. Auch der anwesende Jürg Schoop war überwältigt soviel Freunde und Bekannte anzutreffen, darunter auch Personen, die er seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat.
Künstler durch und durch
Bis in die letzte, verzweigte Kapillare seines Körpers erscheint Jürg Schoop als Künstler. So vielseitig verästelt jene sind, so mannigfaltig sind seine ausgestellten Werke aus verschiedenen Zeiten seines Schaffens von 1955 bis heute. In seinen Adern scheint sein Können in ständig wechselndem Rhythmus zu pulsieren. Deswegen haben seine Bilder gerade hier in der Venenklinik den passenden Ausstellungsort gefunden. «Ausserdem war das Haus ursprünglich die Männerabteilung der Binswangerschen Klinik. Hier hat man die schwierigen Personen untergebracht und damit ist es auch der passende Ort für meine Bilder» meint der Künstler in seiner kurzen Ansprache.
Frau Saadet Türkös mit familiären Wurzeln in Kasachstan und Ost-Turkestan bereicherte die Feier durch stimmgewaltig vorgetragene Lieder ihrer Heimat – «dem Wort in seiner schönsten Form», wie Jürg Schopp dies bei der einführenden Vorstellung meinte.
Lustvoller Regelverstoss
Die Laudatio hielt der Schriftsteller, Filmemacher, Kulturredaktor und sein langjähriger Freund Peter K. Wehrli. Unter dem Motto «Die fünf Konstanten in Jürg Schopps bildnerischem Jahrzehnt – ein Kreuzlinger Capriccio» hielt er reflektierend fest, was ihm am Künstler und seinem Werk beeindruckte. Der Begriff «Capriccio» fasst die Kunsttheorie auf als «den absichtlichen, lustvollen Regelverstoss, die phantasievolle, spielerische Überschreitung der akademischen Normen, ohne dass die Norm ausser Kraft gesetzt wird». Peter K. Wehrli war auch der erste Journalist, der über Jürg Schoop geschrieben hat. «Als wir uns vor mehr als 50 Jahren in unserer Jugend- und Frühzeit kennenlernten, war uns beiden DADA heilig.» Der Mut zum Ungewöhnlichen scheint beiden nicht abhanden gekommen zu sein. Der Vortragende unterstreicht dies mit dem Hinweis, «..dass in allem was Jürg Schoop tut, eine Experimentierlust zu spüren sei. Ich habe nie zweimal denselben Jürg Schoop getroffen. Alles ist immer wieder frisch. Je mehr man schaut, umso mehr sieht man. Sein Schaffen ist der Kampf des Gegenstandes gegen sein Verschwinden. Jürg Schoop ist fähig Gegenstände verschwinden zu lassen, indem er sie abbildet. In seinem Werk «entgegenständlicht« sich ein Gegenstand, er wird abstrakt. Jürg Schoop betrachtet es als seine Hauptaufgabe, das Unbewusst sichtbar zu machen.
Er tut es «im Einklang mit Grenzen». Grenzen suchen, das heisst Form finden! Erst unser eigenes Wissen holt die abstrakte Form in die Gegenständlichkeit zurück. Er sucht nach der Bestimmtheit, nach dem Definierten. Der Künstler wird von seinem Stoff beherrscht, vom Stoff, den er gestaltend zu beherrschen versucht. Er weiss schon früh, dass es die Kultur, dass es die Kunst ist, die uns Menschen die Möglichkeit gibt, unseren Platz in der Welt zu finden und zu definieren.» Soweit einige Gedanken aus der Vernissagerede von Peter K. Wehrli.
Die Ausstellung von Jürg Schoop IN & OUT in der Venenklinik Bellvue dauert bis Ende Januar 2014. Das Haus ist Montag bis Donnerstag von 8 bis 19 Uhr, Freitag von 8 bis 17 Uhr geöffnet. Ausserdem sei auf die Veranstaltung der Venenklinik vom kommenden Samstag hingewiesen. Sie feiert das offizielle 30-jährige Bestehen mit vielen interessanten Vorträgen.
Leider hat Herr Siebenmann ausser Acht gelassen, dass ich am Tag der offenen Tür in der Venenklinik, Samstag, 31.8., um 16.00 Uhr, noch einen Auftritt zusammen mit dem Psychoanalytiker Ralf Binswanger habe. Unter dem Titel „Salon und Souterrain“ lesen wir Texte, die sich mit dem Freundschaftsverhältnis Ludwig Binswangers mit Sigmund Freund beschäftigen