Entweder Amt oder Beruf
Interview – Stadtrat Michael Dörflinger wird sich nach Ende der Legislaturperiode zwischen Amt und Beruf entscheiden müssen. Seiner Fraktion CVP riet er vorsorglich, die Fühler nach einem Nachfolger auszustrecken. Im Interview macht er klar: Kürzer treten will er gar nicht; die Doppelbelastung wird jedoch aufgrund von Neustrukturierungen nicht mehr möglich sein.
Insider wussten schon länger davon, an der Jahresversammlung der CVP machte es Stadtrat Michael Dörflinger offiziell: Wahrscheinlich wird er 2015 nicht mehr zur Wahl antreten (Bericht auf www.kreuzlinger-zeitung.ch). Die CVP nimmt den Auftrag ernst, sagt Ernst Zülle, Präsident der Ortspartei, und schaltet ihre Findungskommission ein. Noch sei es aber zu früh, um Namen zu nennen. Ganz allgemein sei es schwierig, Kaderleute für das Amt zu finden. Knackpunkt sei das 50-Prozent-Pensum bei einem Arbeitsaufwand, der deutlich höher liege. Es sei schwer, eine Tätigkeit zusätzlich zum Amt auszuüben. Stadtrat Dörflinger gelang dieser Spagat bisher.
Herr Dörflinger, wollen Sie wirklich kürzer treten oder ist das Ihr Beitrag zur Debatte um die Löhne in der Exekutive?
Weder noch – es sind die gesetzlichen Randbedingungen, die sich auf 1. Januar 2016 ändern und deshalb unweigerlich die jetzige Situation nicht mehr zulassen.
Im Berufsleben sind Sie der Chef des Betreibungsamtes – welche Restrukturierungen wird es dort geben?
Das kantonale Gesetz über die Zivil- und Strafrechtspflege (ZSRG) schreibt vor, dass ab 2016 ein Betreibungsamt zwingend vom Friedensrichter geführt werden muss. Damit wird es nicht mehr möglich sein, dieses Amt in einer Nebentätigkeit – also nebst dem Stadtrat – auszuüben.
Sie blieben mit Absicht vage: die Aufforderung an die Fraktion, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger zu finden, geht allerdings in eine deutlichere Richtung. Was wird eher dran glauben: Ihr Job oder Ihr Amt?
Ich werde mich entscheiden müssen zwischen einem 100-Prozent-Job beim Kanton oder einer 50-Prozent- Tätigkeit als Stadtrat. Aus heutiger Sicht bietet mir die volle Anstellung beim Kanton mehr, da ich dort auch fachlich enorme Erfahrungen mitbringe.
Jüngst untersuchte eine Kommission das Arbeitspensum der Stadträte; über eine Neustrukturierung wird nachgedacht. Was muss geschehen, dass Sie sich noch einmal zur Wahl aufstellen lassen?
Sollte sich die Situation strukturell ändern und die Stellung des Stadtrates attraktiver werden, wird der Entscheid tatsächlich schwieriger.
In Kreuzlingen stehen einige Grossprojekte an. Macht Ihnen die Arbeit, die da auf den Bauchef zukommt, Angst?
Ganz im Gegenteil. Diese Aufgaben reizen mich enorm. Sie sind das «Salz in der Suppe» neben den vielen alltäglichen Geschäften, die auch notwendig sind. Mir gefällt, dass meine Kolleginnen und Kollegen im Stadtrat ebenfalls mitziehen und für Kreuzlingen mutige Projekte planen, welche die Stadt einen grossen Schritt vorwärts bringen. Dabei hätte ich auch keine Ängste, wenn die Bevölkerung schlussendlich der Meinung wäre, dass wir zu weit gegangen sind und Kredite nicht bewilligt.
Die CVP macht sich auf jeden Fall auf die Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger. Was müsste diese Person mitbringen, um als Bauchef zu bestehen?
Die Konstellation ist nicht ganz einfach. Ein Nachfolger kann nicht davon ausgehen, dass er Bauchef wird. Die Departementsverteilung ist frei, deshalb muss ein Kandidat bereit sein, jedes Departement zu übernehmen. Wie Sie bereits erwähnt haben, ist es mit dem jetzigen Arbeitspensum der Stadträte schwierig, geeignete Personen zu finden. Im Normalfall muss man die Arbeitsstelle aufgeben. Nebst der Unsicherheit einer Wiederwahl ist es fast unmöglich, einen Nebenjob auszuüben, den man dann jederzeit wieder hochfahren kann. Ansonsten erwartet einen eine ungeheuer interessante Aufgabe, die aber von der Öffentlichkeit mit Argusaugen kontrolliert (und kritisiert) wird. Damit muss ein politischer Amtsträger leben.