Kalte Dusche für den Stadtammann
Kreuzlingen – An der vergangenen Gemeinderatssitzung gab Stadtammann Andreas Netzle den Fraktionen ein Update zu den Xentrums-Projekten (wir berichteten). Für seinen Auftritt musste der Stadtammann einige Kritik einstecken. Er sei ein «schlechter Verkäufer», war in der Thurgauer Zeitung zu lesen, und dass man auf solche Weise ein gutes Projekt bodigte.
Auch FDP/EVP-Fraktionschef Christian Brändli findet, dass Stadtammann Netzles Einsatz zu wenig überzeugend und inhaltlich zu wenig ausführlich gewesen sei. «Meinetwegen war dafür während der Sitzung keine Zeit», räumt Brändli ein. «Der Stadtrat hätte aber zumindest eine Tischvorlage austeilen können, das wäre mit kleinem Aufwand möglich gewesen.» Der Informationszweck sei so verfehlt worden, den Räten hätten danach mehr Fragezeichen vor Augen gestanden als vorher, erinnert sich Brändli. Bis heute sei keine umfassende Information erfolgt.
PR-Profi gefordert
Er fordert nun, dass ab sofort professioneller und koordinierter informiert wird. «Dafür könnte man einen PR-Fachmann einschalten», sagt FDP/EVP-Fraktionschef Brändli. «Das ist ja nicht unüblich, dass Gemeinden bei grossen Geschäften Hilfe bei Fachleuten suchen.» Für den ehemaligen Chefredaktor Andreas Netzle dürften diese Worte einen ganz schönen Schuss vor den Bug bedeuten.
«Die Gemeinderatssitzung ist keine Verkaufsveranstaltung», teilt er auf Anfrage mit. Im Gegenteil: Der Stadtrat habe «sachlich, präzise und transparent» zu informieren, dies habe er getan. Weil zwei Fraktionen anfangs letzter Woche den aktuellen Stand der Xentrums-Projekte erfahren wollten und die Möglichkeit bestand, dass die Zahlen in die Öffentlichkeit gelangten, wollte der Stadtrat den Gemeinderat direkt informieren. Es sei übrigens völlig legitim, dies unter dem Traktandum «Verschiedenes» zu tun. «Am Projekt Schwimmhalle selbst hatte sich ja bis auf die Zahlen und dass es zwei Abstimmungsfragen geben wird, nichts geändert», sagt Netzle.
Diese Neuigkeiten, die zuvor auch der die Planung der Schwimhalle begleitenden erweiterten Expertengruppe mitgeteilt wurden, werden nächstens im Detail auch der zuständigen Gemeinderats-Kommission vorgelegt.
Der Gemeinderat ist also kein Ort für Verkaufsprofis. Wo und ob diese in Zukunft agieren, wird sich zeigen. Auch aus eben jener Expertenrunde sei laut Gemeinderat Brändli jedenfalls der Wunsch geäussert worden, in Zukunft einen PR-Profi einzuschalten, wenn es um die Schwimmhalle und Xentrums-Projekte geht.
Aber selbst gestandenen Kommunikationsexperten dürfte es einige Kopfschmerzen bereiten, ein ursprünglich auf 17,3 Millionen Franken geplantes Projekt nun für mehr als doppelt so viel verkaufen zu müssen. Die Zahl geht aus dem Botschaftstext zum Planungskredit vom Februar 2012 hervor.
Tägerwilen schwimmt mit
Keine Wellen hat Netzles Auftritt derweil in Tägerwilen geschlagen. Die Gemeinde steht weiterhin voll hinter dem Projekt und auch das neue Kostendach habe laut Gemeindeammann Markus Thalmann hier keinen verschreckt. «Dass die Sanierung des Egelsee noch dazu kommt, habe ich gewusst. Die zusätzlichen optionalen fünf Millionen für eine Attraktivitätssteigerung sind sinnvoll: Wenn man etwas macht, dann richtig», sagt Markus Thalmann.
Im Dezember finden zwei ausführliche Informationsveranstaltungen für die Bevölkerung von Kreuzlingen und Tägerwilen statt. Am 2. Dezember im Kreuzlinger Dreispitz, am 10. Dezember an der Tägerwiler Gemeindeversammlung. Im Gemeinderat wird die Schwimmhalle im März 2014 behandelt.
Über den etwas gequälten Begriff „Xentrum“ schwebt ein Geist, der nicht so einfach zu entschlüsseln ist. Reduziert man ihn einfach auf das aktive „Zentrum“, so stellt man etwa fest, dass bis heute nicht mal der Verkehr auf dem – etwas hochnäsig genannten – „Boulevard“ für alle überzeugend darstellbar ist, wie es denn da laufen soll. Im Prinzip muss sich die Stadt erklären, wie sie sich in 10-20-30 Jahren gesamtplanerisch zu präsentieren gedenkt. Zum Beispiel, wie sie die noch vorhandenen Grünflächen und Sichtachsen im Zentrum schützen möchte, wie Architektur das zukünftige Bild im Zentrum mitbestimmen soll, wie das Gewerbe verstärkt als „Cluster“ an die Hauptstrasse zurückgeführt werden könnte, wie auch Kultur das Zentrum zu beflügeln hat, usw. Stürzt man sich zu sehr auf einzelne Projekte, geht der Gesamtzusammenhang verloren, der zukünftig das Bild der Stadt – äusserlich und innerlich – prägen soll. Nur über die Darstellung einer vorgesehenen Gesamtentwicklung des Gemeinwesens – und der Folgen daraus! – lassen sich auch die direkt Beteiligten, die Einwohner, überzeugend in den Prozess einbringen. Die Stadt braucht tatsächlichen einen geistigen Aufbruch, ja eine Vision, um sich im „Wettbewerb der Agglomerationen“ behaupten zu können. Ein „PR-Profi“ mag da durchaus im Spiel sein, doch muss er von einer solid geplanten Arbeit aus, die ihm vorgelegt wird, agieren können,. Sonst geht etwas rasch „bachab“, das an sich gut gemeint war, dessen Gesamtzusammenhang jedoch nicht transparent dargestellt werden konnte. Dann ist man wieder auf „Null“.