Unterkunft dringend gesucht
Kreuzlingen – Beim verheerenden Brand in der Berneggstrasse wurde ein dreiteiliges Gebäude unbewohnbar, zum Glück kamen keine Menschen zu Schaden. Die ehemaligen Bewohner sind jetzt allerdings mit Hilfe der KreuzlingerZeitung auf der Suche nach einem neuen Zuhause.

Suchen dringend eine neue Bleibe in Kreuzlingen und Umgebung (v.l.): Wolfgang und Eva Krumm-Schuler, Katharina Bernhart, Michael Dürr, Andreas Bauer-Geragthy und Olaf Schilling. (Bild: Thomas Martens)
Auch mit einigen Tagen Abstand ist den ehemaligen Bewohnern der Schock noch ins Gesicht geschrieben. Neben so gut wie all ihren Habseligkeiten haben sie auch ihre Unterkunft verloren. Wer den Unglücksort betritt, dem sticht sofort der beissende Brandgeruch in die Nase. Selbst das wenige unverbrannte Inventar ist dadurch und durch Löschwasser unbrauchbar geworden.
Persönliche Erinnerungsstücke wie Fotos, Bilder oder auch Spielsachen der Kinder sind unwiederbringlich verloren. «Am meisten macht unseren Kindern aber der Verlust unserer drei Katzen zu schaffen», sagt Eva Krumm-Schuler. Sie hat zusammen mit ihrem Mann Wolfgang und den beiden Kindern eine einfache, aber heimelige Wohnung im Obergeschoss bewohnt. Mit einer wunderschönen Dachterrasse und herrlichem Blick über Kreuzlingen. Doch darauf achtet jetzt keiner. Der Blick fällt unweigerlich in die andere Richtung, auf die verkohlten Reste des Dachstuhls.
Akkubrand als Ursache?
Hier hatte es sich eine Dreier-WG aus Katharina Bernhart, Michael Dürr und Andreas Bauer-Geragthy in den vergangenen Jahren gemütlich gemacht. Geblieben ist jedoch nichts, ausser Asche und verbrannten Einrichtungsgegenständen. Das Trio hat im südlichen Haus gewohnt, neben dem Gebäude mit der Werkstatt, wo Elektroingenieur Wolfgang Schuler sich mit der Umrüstung von Velos auf E-Bikes ein kleines Zubrot verdiente. Die Werkstatt wird als Ausgangsort des Feuers angenommen. Schuler selbst vermutet, dass ein Akku in Brand geraten sein könnte.
Auch wenn es so gewesen wäre – seine ehemaligen Nachbarn sind ihm nicht böse: «Er macht das schon so lange und weiss genau, wie er mit den Akkus umgehen muss. Das hätte jedem passieren können», ist sich Katharina Bernhart sicher. Sie selbst hatte in den Ferien vom Brand erfahren. Als sie zurückkehrte, war ihr Zuhause nicht mehr so, wie sie es verlassen hatte. Zusammen mit ihren beiden Mitbewohnern sowie Hund und Katze sucht die Architektin jetzt eine neue Unterkunft – in Kreuzlingen und Umgebung.
«Wir sind nicht besonders anspruchsvoll, Tierhaltung sollte aber erlaubt sein», sagt Katharina Bernhart. Das junge Trio wäre auch gerne bereit, selbst Hand anzulegen und bei Renovierungen behilflich zu sein, so wie sie es auch bei der ausgebrannten Liegenschaft getan hatten. «Am liebsten wären wir natürlich hier geblieben, aber das geht ja nicht mehr», sagt sie und erzählt vom schönen Garten, dem weitgehend ungestörten Leben «in einem kleinen Biotop» und vielen geselligen Abenden mit ihren Nachbarn. Überhaupt sei der Zusammenhalt aller zehn Bewohner gross gewesen. «So was findet man nicht so schnell wieder», sind sich alle einig.
Kein Dauerzustand
Olaf Schilling hat hier seit 2002 gewohnt. Seine Wohnung hat es weniger stark erwischt, als die anderen. Doch auch er kann nicht hier bleiben, obwohl er – wie alle Mieter – immer wieder sehr viel Eigenleistungen erbracht habe. Während die meisten Bewohner bei Freunden und Familie untergekommen sind, hat Familie Krumm-Schuler im Schloss Bernegg vorübergehend eine Wohnung bezogen. Das ist jedoch auch kein Dauerzustand. Die vierköpfige Familie ist relativ ortsgebunden, weil die beiden Kinder erst einen Schulwechsel hinter sich haben und nicht erneut woanders zur Schule gehen möchten.
Kritik an der Stadt
Der Vertreter der Merhart’schen Stiftung als Eigentümerin der Liegenschaft, Martin Merhart, nimmt den Brand ohne Zorn und Ärger hin. Vorwürfe richtete er aber am vergangenen Freitag an die Stadt Kreuzlingen: «Bis heute hat noch niemand von der Verwaltung vorbeigeschaut oder sich nach den Brandfolgen und den Bewohnern erkundigt.» Stadtrat David Blatter lässt diesen Vorwurf nicht gelten: «Bei Grossereignissen bietet der Einsatzleiter jeweils auch den zuständigen Stadtrat auf. Da im Fall Berneggstrasse alle Bewohner bei Familien und Bekannten aufgenommen wurden, erfolgte eine Information erst nach der Ereignisbewältigung. Dank des raschen und professionellen Einsatzes von Feuerwehr und Polizei konnten alle Bewohner unversehrt das Haus verlassen.» Für die Stadt habe sich somit keine Notwendigkeit ergeben, sich darüber hinaus nach den Brandfolgen zu erkundigen.
Bussen für Helfer
Noch grössere Unverständnis löste bei Merhart und einigen Mietern aber die Tatsache aus, dass Fahrzeuglenker, die Tage nach der Brandnacht entlang der Berneggstrasse auf seinem privaten Wiesengrundstück parkiert hatten, von der Stadtpolizei gebüsst wurden. «So was ist unanständig, das macht man nicht», schüttelt Merhart den Kopf. Freunde und Bekannte der Bewohner hätten ihre Autos dort nur abgestellt, um den Betroffenen beim Bergen von noch brauchbaren Dingen zu helfen. «Wo hätten sie zum Transport sonst parkieren sollen?»
Seit über zehn Jahren ist die Berneggstrasse mit einem Parkverbot belegt. In der Vergangenheit beschwerten sich Anwohner, weil für die Müllabfuhr aufgrund regelwidrig parkierten Fahrzeugen kein Durchkommen war und die Abfallsäcke liegen blieben, erklärte Stadtsprechrecherin Caroline Leuch. Um den Durchgang dauerhaft auch für Zulieferer, Stadtreinigung und insbesondere auch für Rettungsfahrzeuge gewährleisten zu können, verlängerte die Stadt das Parkverbot Ende Januar 2014 um zehn Meter nach Westen.
Glücklicherweise war in der Brandnacht die Durchfahrt für die Rettungsfahrzeuge frei. Am darauffolgenden Tag rückte das Tanklöschfahrzeug erneut an die Berneggstrasse aus. Ein Fahrzeug im Parkverbot behinderte das Tanklöschfahrzeug derart, dass beim Passieren die Beleuchtung am Geäst hängen blieb und weggerissen wurde. «Ausgesprochene Bussen an der Berneggstrasse sind keine Schikane, sondern dienen zum Schutz der Anwohner, damit Rettungsfahrzeuge bei der Durchfahrt nicht behindert werden», betonte Leuch.
Pläne für Schlosspark
Unklar ist, wie es mit dem Brandobjekt weitergeht. Sicher ist, die Gebäude bleiben unbewohnbar. Möglich, dass die Liegenschaft Teil der Pläne für eine komplette Neugestaltung des Bernegg-Geländes wird. Die Stiftung will hier eine neue Parkanlage bauen. Im Zuge dessen ist auch vorgesehen, die Berneggstrasse zu verlegen. Sie soll künftig entlang der Bahntrasse verlaufen. Eine entsprechende Botschaft der Stadt Kreuzlingen für das Kreditbegehren von 300000 Franken wurde vom Gemeinderat im Juni 2012 allerdings zurückgewiesen. Martin Merhart wagt nun einen Neuanlauf. Hätte die Stadt Kreuzlingen 2012 noch die Hälfte der Strassenverlegungskosten übernehmen sollen, will die Stiftung jetzt alles selbst bezahlen. «Bei einer grösseren Zufahrt wäre vielleicht nicht so viel passiert», mutmasst Martin Merhart.
Aufruf zur Hilfe
Angebote für alle Betroffenen nimmt die KreuzlingerZeitung entgegen unter info@kreuzlinger-zeitung.ch oder Tel. 071 678 80 35.