Rücktritt auf Ende September
Kreuzlingen – Am Mittwoch gab Stadtrat Michael Dörflinger seinen vorzeitigen Rücktritt aus beruflichen Gründen bekannt. Er wird in seinem Hauptberuf ab Herbst mit neuen Aufgaben betraut. Ab 2016 muss der Betreibungsamtschef des weiteren auch das Amt des Friedensrichters ausfüllen.

Stadtrat Michael Dörflinger gab seine Entscheidung an einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz bekannt. (Bild: sb)
Stadtrat Michael Dörflinger hat sich für seinen Hauptberuf und gegen das Amt als Stadtrat entschieden. «Die Jagdsaison ist eröffnet – die Jagdsaison auf meinen Sitz», so kündigte er seinen Rücktritt auf Ende September gewohnt humorvoll an.
Bisher konnte er seine Tätigkeiten als Leiter des Betreibungsamts Kreuzlingen und Leiter des Departements Bau unter einen Hut bringen, auch wenn die Arbeitsbelastung enorm hoch und zusammengenommen «weit über 100 Prozent betrage habe». Ab 1. Januar 2016 wird dies nicht mehr möglich sein: Dann wird Dörflinger zusätzlich das Amt des Friedensrichters übertragen. So bestimmt es neu das Gesetz über die Zivil- und Strafrechtspflege (ZSRG). «Das schliesst eine weitere Tätigkeit als Stadtrat aus», so Dörflinger.
Entscheidung fiel nicht schwer
Das kommt mit Ansage, aber trotzdem überraschend: So hatte der Bauchef zwar schon im vergangenen Sommer erklärt, dass er sich wird entscheiden müssen. Bis Mittwoch war allerdings nicht klar, wohin das Pendel schlägt. Ausserdem wurde davon ausgegangen, dass Dörflinger bis zu den Wahlen 2015 bleibt. Sein vorzeitiger Rücktritt sei nötig geworden, weil er ab Herbst 2014 als Projektleiter neue Software in allen Betreibungsämtern des Kantons einführen soll, erklärte Dörflinger eine neue Aufgabe in seinem Hauptberuf. Schlaflose Nächte habe ihm die Entscheidung darum keine bereitet: «Das ist fremdbestimmt.»
«Das werde ich vermissen»
Den Arbeitsaufwand als Stadtrat habe er unterschätzt. Hinzu komme die nervliche Belastung. «Viele sagen ja, der Stadtrat sei Fussabtreter der Bürger», so Dörflinger. «Das ist leider teilweise wahr.» Der Job habe aber auch viele positive Seiten. Man erfahre, was läuft in der Stadt und führe viele interessante Diskussionen und Gespräche. Die Sitzungen im Stadtrat und die Zusammenarbeit mit den rund 55 Mitarbeitenden seines Departements werde er schmerzlich vermissen: «Das war ganz toll.»
So geht er denn mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Sein Nachfolger sollte «eine dicke Haut» mitbringen, rät Dörflinger. «Es sollte sich um eine Persönlichkeit handeln, die Parteizugehörigkeit spielt dabei keine so grosse Rolle.» Um interessante Leute zu bekommen, benötigten die Rahmenbedingungen allerdings eine Verbesserung. Er selbst sei in seinem Beruf schon lange dabei und habe viel Know-How. «Und das hänge ich nicht an den Nagel für einen 50-Prozent-Job, der 80 Prozent Arbeit macht.»
Noch vor den Sommerferien könnte der erste Wahlgang für Michael Dörflingers Nachfolger stattfinden. Den konkreten Termin wird der Stadtrat festlegen. Der neue Bauminister muss sich schon 2015 erneut zur Wahl stellen – eine gute Möglichkeit für den Neuen also, um einen ersten Eindruck zu bekommen und zu hinterlassen. Doch mit seiner eilig einberufenen Pressekonferenz hat Dörflinger alle Parteien auf kaltem Fuss erwischt, angeblich auch seine eigene. Wie sollen die Parteien jetzt auf die schnelle einen Kandidaten aus dem Hut zaubern?
Schicksal oder geschickter Schachzug?
Die CVP hat mit Präsident Ernst Zülle jedenfalls schon länger einen in petto. Der Zentralsekretär der Gewerkschaft Syna bräuchte aber noch die Unterstützung seiner Partei. Mit dem vorzeitigen Rücktritt habe Dörflinger auch ihn überrascht «Deswegen muss ich nun die Situation mit meinem Arbeitgeber neu abklären.» «Das geschah aus taktischen Gründen», mutmasst hingegen FDP-Präsident Patrik Hugelshofer. Es sei ein «Buebetrick» von Dörflinger und der CVP, um ihren Kandidaten durchzubringen. «Alles war auf März 2015 ausgerichtet. Unsere Strategie wird über den Haufen geworfen.»
Die SVP möchte im Moment noch kein Statement abgeben. Durch den vorzeitigen Rücktritt bestehe jetzt aber Gesprächsbedarf, sagt Präsident Fabian Neuweiler. Auch die Freie Liste hat noch keinen Schlachtplan, teilt deren Präsident Jost Rüegg mit. Allein die SP kann sich mehr oder weniger entspannt zurücklehnen: «Solange Stadträtin Barbara Kern im Amt ist, sehen wir uns nicht veranlasst, einen zusätzlichen Stadtratskandidaten aufzustellen. Da haben vermutlich andere Parteien einen grösseren Nachholbedarf», lässt Präsident Cyrill Huber wissen.