Entwicklungshilfe Afrika – Ein Erfolgsmodell?
Altnau – Unter diesem Titel fand am vergangenen Montag ein Podium im Martinshaus statt, zu dem sich viele Interessierte einfanden. Ronald Isler vom organisierenden Altnauer Treff führte durch den Abend. Die teilnehmenden Referenten stellten sich, die Projekte oder ihren Bezug zur Thematik, in einem ersten Teil selber vor. (Text: Susi Ochsner)
Anja und Simon Neuhaus waren für eineinhalb Jahre im Tschad in zwei verschiedenen Entwicklungsprojekten im Einsatz. In einer Präsentation zeigten sie auf unterhaltsame Weise die kulturellen und strukturellen Unterschiede zwischen der Schweiz und dem Land in der Mitte von Afrika auf. Es stellten sich ihnen dort für uns so banale Fragen wie: «woher kriege ich Gemüse, wie koche ich, hat es Wasser?» Die ortsübliche Behandlung von Skorpionstichen wurde eindrücklich geschildert. Unter anderem unterrichteten sie in einer Oase bei einer Organisation, die den muttersprachlichen Unterricht an oberste Stelle setzt. Normalerweise sprechen die Kinder bis zur Schule nur einen der über hundert tschadischen Dialekte. In der Schule wird vom ersten Tag an aber nur in französischer Sprache unterrichtet. Sie gewannen die Erkenntnisse, dass es für das Volk sehr wichtig ist, in ihrer eigenen Sprache auch zu lesen und zu schreiben, sowie ihre Kultur leben zu können.
Weg von der Strasse
Daniela Jost verbrachte vier Jahre in Tansania. Sie arbeitete für die Organisation «Interteam» in einem Projekt, das Strassenkinder einen geregelten Tagesablauf, Schulbildung, Unterkunft und Verpflegung bietet. Dafür müssen die Eltern einen kleinen Beitrag bezahlen. Jost sagt: «Damit bekommt die Schule einen Wert und wir schaffen Verbindlichkeit.» In einem kurzen, eindrücklichen Film bekam man einen Einblick. Betroffene Kinder erzählten von ihrem Leben auf der Strasse und der Hilfe durch die Institution. Einige schaffen es später zu einem geregelten Leben, aber leider zeigte die Unterstützung nicht bei allen Wirkung.
Nothilfe
Von dem evangelischen Hilfswerk «HEKS» war Sarah Baumann anwesend. In ihrer Präsentation erläuterte sie die Ziele, die Aufgaben und Werte ihrer Organisation. Die Würde des Menschen, Nachhaltigkeit und die Hilfe zur Selbsthilfe sind unter anderem wichtige Anliegen und Werte von «HEKS» in der Zusammenarbeit mit der einheimischen Bevölkerung. Pro Land konzentrieren sie sich ein bis zwei Gegenden, um dort die grösstmögliche Wirkung zu erzielen. Im Vordergrund steht die Unterstützung in Not. Normalerweise sind die Projekte auf drei Jahre aus angelegt.
«Die Afrikaner sind nicht dumm»
In einem lebendigen Referat stellte sich Peter Baumgartner, ehemaliger Afrikakorrespondent des Tages Anzeigers vor. Seit seiner Pensionierung leitet er eine Schule (Grundschule und Elektrikerausbildung) in Nairobi und gibt dort eine landwirtschaftliche Zeitung heraus. Pointiert kritisch schilderte er die Auswirkungen der Schweizer Entwicklungshilfe. Dabei gab er zu bedenken, dass immer das Land mit seiner Kultur, das Leben in Würde und die Nachhaltigkeit zu beachten seien. Dazu meinte er: «Die Afrikaner sind nicht dumm, sie wissen was sie uns erzählen müssen, damit Geld kommt». Es sei ein Fehler alles aus der Schweiz aus zu organisieren. Eine Grundvoraussetzung für einen längerfristigen Erfolg eines Projektes sei, dass die Einheimischen den Willen hätten, etwas selbst tun zu wollen. Dabei dürften sich afrikanische Regierungen nicht mehr nur auf das Geld und die Freiwilligen aus dem Ausland verlassen. Gefordert sei aber auch mehr Gelassenheit unsererseits.
80 Prozent der Gelder verschwinden
Nach einer Pause stellten sich die Referentinnen und Referenten dem Podiumsgespräch. «Was sagen sie zu den kritischen Aussagen von Baumgartner?» gab Isler als Anfangsfrage in die Runde. Diese waren für die übrigen Teilnehmer gut nachvollziehbar und deckten sich mit ihren eigenen Erfahrungen. Wenn Hilfswerke über die Köpfe der betroffenen Bevölkerung hinweg agierten, löse dies eher Passivität aus und es könne keine Nachhaltigkeit erreicht werden. Um langfristige Resultate zu erreichen, müsse mit der betroffenen Bevölkerung, «dem kleinen Mann», zusammengearbeitet werden. Dabei solle erreicht werden, dass der Zwischenhandel ausgeschaltet wird. Wichtig sei auch, in diesen Staaten Rechtssicherheit zu erreichen, dass die Gelder z.B. nicht mehr vor der Verbuchung verschwinden oder, wie geschehen, die gleiche Strasse dreimal bezahlt wird. «Es ist doch bedenklich, dass 80 Prozent der gespendeten Gelder aus der Schweiz in den Taschen der Regierungen verschwindet», meinte etwa Baumgartner.
Es wurde gefordert, dass der Staat vermehrt in kleine Organisationen investiert. Bei diesen sind die Verwaltungsgebühren oft geringer als bei grossen Hilfswerken. Sie arbeiten intensiver mit der einheimischen Bevölkerung zusammen, berücksichtigen vermehrt die örtlichen Voraussetzungen und verlangen auch Eigenleistungen oder übergeben die Verantwortung an die Betroffenen. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass bei allem der Zeitfaktor eine grosse und wichtige Rolle spiele. Es brauche sehr viel Zeit und Geduld nur schon bei der ersten Kontaktaufnahme.
Zum Abschluss hatte man Gelegenheit sich einen Teil des Filmes « Ein Tag im Tschad» den das Ehepaar Neuhaus während ihres Einsatzes gedreht hatten, anzusehen. Manchmal erheiternd, manchmal nachdenklich stimmend war er ein Einblick in ein langsameres Leben, in eine andere Lebensform und Mentalität.