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Kein Kratzer mehr im Lack

Kreuzlingen – Über ein Jahr suchte der Ruderclub Kreuzlingen nach einem Experten für Lackierarbeiten an ihren Ruderbooten. Schlussendlich hat der Experte dann den Ruderclub gefunden – über die Stellenbörse für Freiwilligenarbeit der Stadt Kreuzlingen.

Jochen Reuter (v.l.), Hobbyexperte für Lackierungsarbeiten, Reinhold Ruhland, Bootswart und Ruedi Bätscher, Präsident des Ruderclubs Kreuzlingen. (Bild: ek)

Jochen Reuter (v.l.), Hobbyexperte für Lackierungsarbeiten, Reinhold Ruhland, Bootswart und Ruedi Bätscher, Präsident des Ruderclubs Kreuzlingen. (Bild: ek)

Teure Boote, noch teurerer Unterhalt – wenn Bootswart Reinhold Ruhland über die Skiffs (Einsitzer) und Mannschaftsboote spricht, die im Bootshaus des Ruderclubs hängen, fragt man sich, warum nicht mehr zwischen der Aussenwelt und den glänzenden Rennern steht als eine Holzwand. «Ein Doppelzweier kostet um die 12000 Franken, bei einem neuartigen Doppelvierer geht der Preis dann schnell mal rauf auf 25000 Franken», erklärt er. Gute Gründe also, die Boote mit Sorgfalt zu behandeln und pflichtbewusst zu warten. Die Mitglieder würden daran auch immer wieder erinnert. «Doch es hilft alles nichts», fährt Ruhland fort, «wenn jeder ein sechs Meter langes Gerät mit sich rumträgt, dann stösst man halt mal zusammen oder lässt das Boot unsanft über den Schwimmsteg gleiten.» Schon hat man einen Kratzer oder Striemen drauf.

High-Tech-Lackierung
Abgesehen davon, dass es unschön aussieht, wenn die Vereinsfarben beschmutzt durchs Wasser gleiten, sind Lackschäden gefährlich für das gesamte Boot. «Wenn Wasser eindringt, kann dieses sich bei Kälte ausdehnen und die inneren Carbonfasern zerreissen.», sagt Ruhland. Der Bootschef kennt die Technik der Boote in- und auswendig. Er hält die Skulls (Ruder) in Stand und kümmert sich darum, dass die Rollsitze laufen wie geschmiert. Doch vom Lackieren hält er sich fern. «Da muss man sich auskennen, sonst richtet man mehr Schaden als Nutzen an», erklärt er. Dafür brauche man heutzutage fast schon einen Chemiker. Die Stoffe müssten genau aufeinander abgestimmt sein, sonst fresse sich der Lack ins Bootsmaterial. Also wurden die Boote für jede Ausbesserung in die Werft geschickt – eine teure Angelegenheit. «Das Material spielt dabei keine Rolle, das Kostenintensive sind die vielen Arbeitsstunden», erklärt Präsident Ruedi Bätscher.  So fielen über die Jahre enorme Wartungskosten an.

Ein Faible für Filigranes
Lange war man auf der Suche nach einem Fachmann. Vor einem Jahr stiess man dann auf das Freiwilligenportal der Stadt Kreuzlingen und schrieb die Stelle aus. «Meine Frau hat mich in der KreuzlingerZeitung auf das Inserat aufmerksam gemacht», erzählt Jochen Reuter. Der ehemalige Zahnarzt ist leidenschaftlicher Segelflieger. «Mit Rudern hatte ich eigentlich nichts am Hut.» Doch die Lackierungsarbeiten und Materialien, die in der Segelfliegerei zur Anwendung kommen, ähneln stark denen im Rudern. Und so kam es, dass Reuter seit einigen Wochen den Lack der Boote des Ruderclubs Kreuzlingen in Stand hält. «Es macht einfach Spass, wenn ich etwas, das vorher noch matt war, wieder auf Hochglanz bringen kann.» Für so eine Arbeit müsse man sich in das Boot einfühlen können.

Freiwilliger Frondienst
Auch der Ruderclub Kreuzlingen ist positiv über die Freiwilligenbörse überrascht. «Es hat einfach gepasst zwischen uns. Jochen kann seiner Leidenschaft nachgehen und für uns ist das letzte Mosaiksteinchen im Gesamtbild des Ruderclubs auf seinen Platz gefallen», sagt Ruhland glücklich. Der Ruderclub sei nun im Vorstand, in der Nachwuchsförderung und von den Booten her wie gewünscht aufgestellt. Dabei spielt die Freiwilligenarbeit eine grosse Rolle und hat eine lange Tradition. «Das Bootshaus wurde vor 20 Jahren von den damals 40 Mitgliedern in ‹Fronarbeit› gebaut», erzählt Bätscher. Heute sind es 120 Mitglieder, der Freiwilligenarbeit hat dies jedoch keinen Abbruch getan. Nachwuchstrainer Peter Keller arbeitet jährlich zwischen 300 bis 400 Stunden als Trainer und aktuell wird das Clubhaus von den Mitgliedern renoviert. «Diese Motivation zu Freiwilligenarbeit scheint eine Eigenart der Schweizer zu sein», sagt Reuter. In Deutschland kenne er so etwas nicht. Für Ruhland liegt der jüngste Erfolg an der Stellenbörse für Freiwilligenarbeit: «Ich kenne sonst keine Stadt, die etwas Ähnliches anbietet.» Und auch Ruedi Bätscher lobt das Portal, fügt aber wehmütig hinzu: «Hätte Jochen nur früher davon erfahren, hätten wir uns einen Haufen Wartungskosten sparen können.»

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