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Der Kuddelmuddel um die Boulevard-Initiative

Kreuzlingen – Gewerbe, Anwohner und Initianten wollten die Boulevard-Initiative für fünf Monate auf Eis legen, um am runden Tisch gemeinsam eine für alle tragbare Lösung zu finden. Weil Druck aus dem Gemeinderat kam, hat der Stadtrat seinen Sistierungs-Beschluss jedoch umgehend wieder aufgehoben.

Wer blickt noch durch? Das Boulevard-Verwirrspiel geht weiter ...  (Bild: archiv)

Wer blickt noch durch? Das Boulevard-Verwirrspiel geht weiter … (Bild: archiv)

Die Boulevard-Initiative ist wieder auf Kurs und wird gemäss dem ursprünglichen Zeitplan am 3. Juli im Gemeinderat behandelt. Die Sistierung – ein Stadtratsbeschluss, der ursprünglich in der Gemeinderatssitzung vergangene Woche mitgeteilt wurde und für grosses Aufsehen sorgte – ist damit vom Tisch. «Der Stadtrat trägt so einem Wunsch Rechnung, welcher aus verschiedenen gemeinderätlichen Fraktionen kam», erklärt Stadtammann Andreas Netzle auf Anfrage.

Gespräche finden trotzdem statt
Die Gespräche mit den Interessengruppen, also Gewerbe, Quartierverein und Initianten, sollen trotzdem wie geplant stattfinden. «Ergebnisse daraus können durchaus in die Diskussion in der Gemeinderatssitzung im Juli einfliessen», so Netzle. Und nennt einen weiteren Grund, warum der Stadtrat in Sachen Sistierung kalte Füsse bekommen hat: «Diese ist in der Gemeindeordnung nicht klar geregelt, hier steht Rechtsmeinung gegen Rechtsmeinung.» Der Stadtrat, so geht es aus der Medienmitteilung hervor, fürchtet ein mögliches Beschwerdeverfahren im Anschluss an die Volksabstimmung.

Kanton will nicht Richter spielen
Mit seinem neuerlichen Beschluss macht der Stadtrat den Boulevard-Kuddelmuddel perfekt. Denn alle Beteiligten streiten sich seit vergangenen Donnerstag nicht nur um Kompetenzfragen, nein, manche sehen eine Sistierung grundsätzlich als nicht vereinbar mit der Gemeindeordnung an. Während vom Kanton selbst dazu keine verbindlichen Aussagen in Erfahrung zu bringen waren. Ohne Akteneinsicht könne man nichts sagen, lassen Mitarbeiter auf Anfrage wissen und verweisen lediglich auf die in der Gemeindeordnung genannten Fristen. Diese seien eigentlich einzuhalten.
Der Stadtrat übergibt das heisse Eisen nun dem Gemeinderat. «Auf Ersuchen der Initianten» könne dieser die Sistierung an der Sitzung im Juli nämlich beschliessen.

Lesen Sie die vollständige Medienmiteilung hier.

Räte wollen involviert werden
Im Stadtparlament hat der Aufstand gegen den Stadtratsbeschluss schliesslich auch begonnen. Er wurde angeführt von Gemeinderat Thomas Dufner. Mit einem fundierten Votum hatte sich der CVP-Fraktionspräsident während der Donnerstags-Sitzung an die Räte gewandt. Seine Argumente kurz zusammengefasst: Die Sistierung würde das Verfahren nur weiter verlängern; ein Kompromiss sei angesichts der verhärteten Fronten eh unwahrscheinlich; ausserdem werde die Gemeindeordnung verletzt. Dufner macht kein Geheimnis daraus, dass er ein Gegner der Initiative ist: «Am sinnvollsten wäre es, wenn sie zurückgezogen wird». Er favorisiert den vom Stadtrat vorgeschlagenen, derzeit durch ein Rechtsmittel aber noch blockierten Versuchsbetrieb» als «eine schrittweise Lösung mit den Detaillisten parallel im Hintergrund». Es sei zu gefährlich, via Volksabstimmung etwas zu zementieren, was dann nicht mehr rückgängig gemacht werden könne.
Die Unterschriftensammlung, die der CVP-Gemeinderat tags darauf startete, muss er nun gar nicht mehr einreichen: Der Stadtrat hat dem Begehren nach einer sofortigen Behandlung der Initiative im Gemeinderat mit dem neuerlichen Beschluss vorauseilend entsprochen.

Rennt jetzt die Zeit davon?
Daniel Moos ist Gemeinderat der Freien Liste und spricht für das Initiativkomitee autofreier Boulevard: «Ich bin sehr verwundert über dieses Hin und Her vom Stadtrat. Das Vorgehen bezüglich der Initiative scheint unverständlich und konzeptlos.» Wie es nun weitergeht, könne er noch nicht sagen. «Wir müssen uns beraten. Ich befürchte, dass so zu wenig Zeit bleibt, um wie geplant eine Lösung für alle auszuarbeiten.» Eines sei jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen: «Zurückziehen werden wir die Initiative nicht.»

Ralph Schär von der Haberer Schuh AG ist als am Boulevard ansässiger Detailhändler nach wie vor froh darüber, dass es zu einem runden Tisch kommt: «Die Info-Veranstaltung im März hat gezeigt, wie wichtig das Gespräch ist.» Dass jetzt der Gemeinderat über die Sistierung entscheiden will, sei «ein möglicher Weg. So bleibt die Chance, zu reden und lösungsorientiert zu arbeiten, bestehen. Diese Bereitschaft sollte keinesfalls durch Paragraphenreiterei verhindert werden.» Laut Schär will sich das Gewerbe vor allem für die nötigen Rahmenbedingungen einsetzen, die es für eine Fussgängerzone braucht. Denn per se sei man nicht dagegen: «Nur sind die Basisvoraussetzungen für ein erfolgreiches gewerbliches Zentrum rund um einen autofreien Boulevard zum jetzigen Zeitpunkt noch keinesfalls erfüllt.»

Runder Tisch am Dienstag
Ueli Bührer, Präsident vom Quartierverein Bodan, sieht das ebenso: «Eine Fussgängerzone zum jetzigen Zeitpunkt wäre der Todesstoss für den Boulevard.» Er sei froh, dass am kommenden Dienstag die Gespräche am runden Tisch beginnen. «Wir werden versuchen, miteinander eine vernünftige Lösung zu finden.»

Das sagt die Gemeindeordnung: Artikel 14, 15 und 16 besagen klipp und klar, dass eine Initiative «spätestens ein Jahr nach dem Tage der Ablieferung der Unterschriftenbögen an die Stadtkanzlei» im Gemeinderat landen muss. Die Möglichkeit einer Sistierung wird in der Gemeindeordnung nicht erwähnt. 

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