«Wir sind zu stark gewachsen»
Kreuzlingen – Mit rund 2700 Arbeitsplätzen bei 4300 Einwohnern hat Tägerwilen eine überdurchschnittlich starke Wirtschaft. Gemeindeammann Thalmann erklärt die Gründe dafür und warum das Bevölkerungswachstum gebremst werden soll.
KreuzlingerZeitung: Rasantes Bevölkerungswachstum, genügend Arbeitsplätze und ein Budget, das über eine halbe Mio. Franken besser ausfällt als erwartet. Was ist das Erfolgsgeheimnis von Tägerwilen?
Markus Thalmann: Der Erfolg ist das Resultat verschiedener Faktoren. Einerseits hat Tägerwilen einen starken Gemeinderat, der mitzieht, eine aktive Bürgergemeinde und es herrscht eine gute Zusammenarbeit mit der Schulbehörde. Gleichzeitig haben wir eine super Lage, mit ÖV- und Autobahnanschluss und Seerheinanstoss. Das lockt Einwohner und Geschäftsleute an.
Was das Bauland langsam knapp werden lässt.
Ja, das stimmt. Seit 1980 haben wir in Tägerwilen ein ungebremstes Wachstum. Letztes Jahr stieg die Einwohnerzahl um 4,8 Prozent. Jahrzehntelang gab es auch viele ungebrauchte freie Flächen. Diese sind mittlerweile rar geworden. Zurzeit überarbeiten wir gerade den Ortsplan. Neue Einzonungen für mehr Bauland sind darin nicht vorgesehen. Einzige Möglichkeit für mehr Wohn- und Gewerberaum sehe ich in der Verdichtung.
Das Wachstum gefällt nicht allen. Vor einiger Zeit wurde die Petition «4000 sind genug» ins Leben gerufen. Mittlerweile leben 4300 Menschen in Tägerwilen.
Ich denke auch, dass wir in den letzten Jahren zu fest gewachsen sind. Mittelfristig peilen wir nun ein Wachstum von einem Prozent an. Doch in den nächsten paar Jahren werden wir das Wachstum nicht so stark drosseln können.
Wird Tägerwilen vielleicht eines Tages sogar eine Stadt?
Wenn es nach mir geht auf keinen Fall. Ich möchte, das Tägerwilen ein Dorf bleibt. Den Dorfgeist haben wir auf jeden Fall bewahrt. Das Vereinsleben ist intakt und man grüsst sich noch auf der Strasse.
Was für eine Rolle spielt Kreuzlingen für Tägerwilen?
Kreuzlingen ist für Tägerwilen der wichtigste Partner. Wir pflegen einen intensiven Kontakt, sei es im Agglomerationsprogramm, bei Ortsplanungsfragen oder bei den Arbeitsplätzen.
Kommt die Umwelt bei diesem rasanten Wachstum nicht zu kurz?
Nein, da sind wir sehr engagiert. 1999 haben wir einen Wärmeverbund gegründet, der durch Holzschnitzel alle öffentlichen Gebäude mit Wärme versorgt. Im Jahr 2002 haben wir den Solarverein gegründet, mittlerweile stehen rund 40 Photovoltaikanlagen in Tägerwilen. Jetzt streben wir noch eine Biogasanlage an.
Welche umstritten ist in der Bevölkerung.
Ich bin kein Biologe. Doch für mich macht das Konzept Sinn, wenn ohne Qualitätsverlust aus Grüngut und Mist zusätzlich Energie gewonnen werden kann. Zurzeit sind wir auch noch in der Anfangsphase des Projekts. Wir verlassen uns bei Entscheidungen auf Expertenmeinungen.
Sie scheinen sehr engagiert zu sein. Wenn etwas getan werden muss, gründen Sie einen Verein und wirken gleich noch im Vorstand mit. Woher kommt das?
Naja, wenn ich von etwas überzeugt bin und Handlungsbedarf sehe, setzte ich mich halt voll ein. Deshalb bin ich auch gerne in der Exekutive auf lokaler Ebene. Für mich kam der Grosse Rat nie in Frage. Viel lieber bewege ich in Tägerwilen etwas als im Parlament mit der Nummer 102 in der Schlange zu stehen.
Haben Sie darum vor 19 Jahren als Gemeindeammann kandidiert?
Ich habe mich längere Zeit mit dem Beruf des Gemeindeammann auseinandergesetzt und das Gefühl erhalten, dass dies ein Job für meine Interessen und mein Engagement sein könnte. Als mein Vorgänger pensioniert wurde stellte ich mich zur Wahl. Das Amt war für mich ein Sprung ins kalte Wasser, in dem ich mich nach der Einarbeitungsphase schon bald sehr wohl fühlte.
Treten Sie denn 2015 zur Erneuerungswahl an?
Ja, das Amt macht mir immer noch grosse Freude. Deshalb stelle ich mich zur Wiederwahl auf.