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Mit dem Kopfhörer 600 Jahre in die Vergangenheit

Salenstein – Das Napoleonmuseum auf dem Arenenberg ist um eine Attraktion reicher. Besucher können ab sofort im neuen Patriziergarten lustwandeln. Dafür wurde extra ein als Hörspiel inszenierter Audioguide geschaffen.

«Mit dem Patriziergarten komplettieren wir unser Gartenerlebnis auf dem Arenenberg», so Dominik Gügel, Direktor des Napoleonmuseums im Schloss und damit auch der Herr über die Arenenberger Schlossparkanlage. «Wir haben schon vor Jahren Schriftstücke gefunden, die einen solchen Garten auf dem Arenenberg bereits um 1400 belegen. Mit Blick auf das Konstanzer Konziljubiläum hatten wir dann die Idee, einen solchen mittelalterlichen Lustgarten nachzubauen.» Damals hiess der Arenenberg noch «Narrenberg» . Eigentümer waren bedeutende Konstanzer bzw. Thurgauer Patrizierfamilien, darunter auch die von Heinrich von Tettikoven, der sich u.a. als Bürgermeister von Konstanz einen Namen machte.
Gartenplauderei mit den Damen der Familie von Tettikoven

Markus Keller konzipierte Guide. (Bild: sb)

Markus Keller konzipierte Guide. (Bild: sb)

Wer den Arenenberger Patritziergarten besucht, macht unweigerlich Bekanntschaft mit seiner Frau Elisabeth und ihrer Tochter Apollonia. Denn um den mittelalterlichen Garten betreten zu können, bekommt man im Museumsshop einen Schlüssel für die Gartenpforte, dazu einen MP3-Player und einen Kopfhörer. Ein Hörspiel führt die Besucher dann eine knappe Stunde lang durch den rund 300 qm grossen Garten, vorbei an Rasenbänken, einem Brunnen und ungezählten Duft- bzw. Nutzpflanzen. Der Erzähler unterhält sich hier zunächst mit Elisabeth, befragt sie zu Blumen und Kräutern. Ausserdem lässt er sich das Prinzip eines mittelalterlichen Gartens erklären. Die kräuterkundige Apollonia verrät dem Besucher unter anderem eines der Rezepte ihrer wichtigsten Lehrerin, Hildegard von Bingen. Es ist ein Rezept gegen Jähzorn. «Wer jähzornig ist, der nehme eine Rose und weniger Salbei und zerreibe es zu Pulver. Und in jener Stunde, wenn ihm der Zorn aufsteigt, halte es an seine Nase. Denn der Salbei tröstet, die Rose erfreut. Spätestens an dieser Stelle des Audioguides wird klar: Im Mittelalter ging es wohl auch schon mal stressig zu und ein bisschen Lustgarten-Wellness tat bereits damals gut. Das gilt natürlich auch für heute: Die Gartenbesucher sollen nicht nur Neues über Gärten im Mittelalter erfahren, sondern auch mit zeitgenössischen Gedichten und Musik im Ohr auf einer der Rasenbänke Platz nehmen und einfach entspannen.

Hier lässt sich’s gut sitzen: Museumsdirektor Dominik Gügel und Daniel Brogle, Leiter der Arenenberger Gärten (hinten. v.l.), Christina Egli, stv. Museumsleiterin, Eva Eisenbarth und Markus Keller (vorne, v.l.). (Bild: zvg)

Hier lässt sich’s gut sitzen: Museumsdirektor Dominik Gügel und Daniel Brogle, Leiter der Arenenberger Gärten (hinten. v.l.), Christina Egli, stv. Museumsleiterin, Eva Eisenbarth und Markus Keller (vorne, v.l.). (Bild: zvg)

Gartenplanung mit mittelalterlichen Vorbildern
Die Entwurfsarbeit für die mittelalterliche Gartenanlage stiftete Eva Eisenbarth vom Konstanzer Gartenbauunternehmen Gartenforum im Rahmen eines Sponsorings. Sie ist Mitglied des Arenenberger Stiftungsrats und vertiefte sich zusammen mit Dominik Gügel zur Recherche in die Schriften von Albertus Magnus. Den Dominikanermönch verband mit dem Bodensee und besonders mit der Unterseeregion eine enge Freundschaft. In seinen «Sieben Büchern über die Gewächse», die er um 1250 in Köln schrieb, behandelt Albertus Magnus das Thema umfassend. Er schreibt über den Ziergarten, den Rasen und die Rasenbank, man findet aber auch mittelalterliche Darstellungen von exotischen Pflanzen, wie Granatäpfeln oder Basilikum. In seinem zweiten Buch geht er genau auf die Konstruktion einer Gartenanlage und die Gestaltungsmittel ein. Für den Arenenberg wählten Dominik Gügel, Eva Eisenbarth und Daniel Brogle, Leiter der Arenenberger Gärten, schliesslich eine Kombination aus den Werken von Albertus Magnus und Petrus de Crestentius. So entstand der klassische Zuschnitt eines mittelalterlichen Lustgartens.

Herr über die Gärten: Daniel Brogle. (Bild: sb)

Herr über die Gärten: Daniel Brogle. (Bild: sb)

Ein Garten mit Symbolwirkung
Gärten waren im ausgehenden Mittelalter ein Statussymbol des Adels und des gehobenen Bürgertums. Sie dienten der Erbauung, aber auch für geheime Treffen. Natürlich spielten solche Anlagen auch während des Konzils eine grosse Rolle. Mehrfach erwähnt Ulrich Richental sie in seiner Chronik und berichtet, wie die Besucher des Konzils «in welchem Garten auch immer sie wollten, spazieren gingen». Der Mittelaltergarten ist, ebenso wie der Landschaftspark des Arenenbergs und die Versuchsgärten des Bildungs- und Beratungszentrums Arenenberg, Mitglied beim Netzwerk «Bodenseegärten – Eine Reise durch die Zeit». Der Patriziergarten ist unter anderem auch Teil des Routenvorschlags «Bodenseegärten Mittelaltertour».

Mittelalter-Führung
Eine neue Führung «auf den Spuren des Mittelalters» hat die spätmittelalterliche Schlossanlage des «Narrenberg» (wie der Arenenberg damals hiess) sowie die verschiedenen «Gärten» dieser Zeit auf dem Programm: die Rebgärten mit dem Torkel, der Baumgarten und schliesslich – als «Höhepunkt» sozusagen – das «Schatzkästlein», der Arenenberger Patriziergarten mit seinen vielfältigen Inhalten. Abschliessend geht’s in den mittelalterlichen Weinkeller. Dauer ca. 50 Minuten, nur auf Anfrage buchbar!

Napoleonmuseum,
www.napoleonmuseum.ch,
Tel. 058 345 74 10

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