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Neue Fragen zur Herzklinik

Kreuzlingen/Konstanz – In den vergangenen Wochen war es ruhig geworden um das Herz-Neuro-Zentrum Bodensee (HNZB) in Kreuzlingen und Konstanz. Die Staatsanwaltschaften Thurgau und Konstanz ermitteln weiterhin (wir berichteten mehrfach), ein Ende ist noch nicht in Sicht. Jetzt wirft die Kreuzlinger Kantonsrätin Barbara Kern (SP) neue Fragen auf.

HNZB-Geschäftsführer Martin Costa (Zweiter von links) und Verwaltungsratspräsident Dierk Maass (rechts) müssen sich weiteren unbequemen Fragen stellen. Im Hintergrund die beiden Rechtsanwälte Catherine Rutishauser (Kreuzlingen) und Eckhard Besuden (Konstanz). (Bild: Thomas Martens)

HNZB-Geschäftsführer Martin Costa (Zweiter von links) und Verwaltungsratspräsident Dierk Maass (rechts) müssen sich weiteren unbequemen Fragen stellen. Im Hintergrund die beiden Rechtsanwälte Catherine Rutishauser (Kreuzlingen) und Eckhard Besuden (Konstanz). (Bild: Thomas Martens)

In einer Einfachen Anfrage an den Thurgauer Regierungsrat interessiert sie, wie es mit dem HNZB weiter geht. «Aus gut informierten Kreisen» sei zu vernehmen, dass auf Grund der laufenden Rechtsverfahren und deren unsicherem Ausgang, sowie weiterhin fehlender Transparenz und unverändertem Führungsstil ein «Exodus» von Ärzten und diplomiertem Pflegefachpersonal im HNZB stattfinde. Viele langjährige und erfahrene Mitarbeiter hätten die Klinik verlassen bzw. stünden vor der Kündigung. Ersetzt würden sie häufig durch Anfänger, Honorarärzte (zeitlich begrenzt und keine Dienste), mit Qualitätseinbussen sei zu rechnen.

HNZB hat wichtige Aufgabe
Barbara Kern verweist nicht nur auf die Bedeutung des HNZB in der kardiologischen und herzchirurgischen Versorgung für den Kanton. «Eine ebenso wichtige und gleichwertige Rolle kommt der Betreuung von neurochirurgischen Patientinnen und Patienten zu.» Vor allem die Versorgung an den Wochenenden und nachts bzw. ausserhalb der regulären Arbeitszeiten sieht die Kantonsrätin kritisch, da nur ein Notfallteam (für Operationen, Herzkatheter und nur ein Anästhesist für Problemfälle und Operationen auf beiden Intensivstationen) der Kliniken von Kreuzlingen und Konstanz zur Verfügung stünde.

Was weiss der Regierungsrat?
Deshalb möchte Barbara Kern vom Regierungsrat wissen, ob er Kenntnis von diesen personellen Problemen im HNZB habe. Weiter interessiert sie, wie viele Notfallteams jeweils am Wochenende und in der  Nacht zur herz- wie neurochirurgischen sowie kardiologischen Versorgung zur Verfügung stehen, und ob es eine vertragliche Vereinbarung auf deutscher und Schweizer Seite zur Gewährleistung der Notfallversorgung durch das Herzzentrum gibt. Barbara Kern geht noch einen Schritt weiter: «Wäre es für den Regierungsrat vorstellbar, das Herz-Neuro-Zentrum in die Spital Thurgau AG zu integrieren, damit die Grundversorgung langfristig gesichert ist?»

Das HNZB plant bekanntlich seit Jahren einen Neubau beim Kantonsspital in Münsterlingen. Kantonsrätin Kern hat offenbar Kenntnis darüber, dass die Herzklinik ihr Kapital für den Neubau abgezogen habe und stellt die Frage, ob der Regierungsrat darüber Bescheid wisse. Mit der Beantwortung dieser Fragen ist vor den Sommerferien nicht mehr zu rechnen.

Herzklinik weist Vorwürfe zurück
Auf Anfrage übermittelte jedoch das HNZB über einen Sprecher eine Stellungnahme. Von einem «Exodus von Ärzte- und Pflegepersonal» könne keine Rede sein. «Die Unterstellung in der einfachen Anfrage, es handle sich um nicht qualifiziertes Personal, ist ebenfalls haltlos und in höchstem Masse rufschädigend», so die Klinik. Zudem überprüfe das zuständige Gesundheitsamt monatlich die personelle Situation der Klinik.

Eine erhöhte Fluktuation von Ärzten oder Pflegepersonal sei im laufenden Jahr keineswegs zu verzeichnen. Die aktuelle Fluktuation entspreche dem langjährigen Vorjahresdurchschnitt und liege derzeit sogar unter dem Vorjahresniveau. «Per Ende 2013 hatten wir insgesamt sechs Kündigungen, darunter zwei Oberärzte und vier Assistenzärzte in der Kardiologie, zu verzeichnen.» Alle freien Stellen in der Kardiologie seien mit hochqualifizierten Ärzten besetzt worden, die Chefarztposition Kardiologie am HNZB seit 2. Juni mit Prof. Dr. Bernhard Brehm.

Notfallteam einsatzbereit
Auch ausserhalb der regulären Arbeitszeit ist neben dem in jeder Klinik diensthabenden Arzt jeweils für die Abteilungen Anästhesie, Herzchirurgie, Kardiologie und Neurochirurgie (Schweiz) ein Notfallteam einsatzbereit. Zudem habe die Administrativuntersuchung des Kantons Thurgau bereits bestätigt, dass sämtliche gesundheitspolizeilichen Voraussetzungen erfüllt seien – auch hinsichtlich der Notfallversorgung (wir berichteten).

Vor welchem Hintergrund diese Frage erneut aufgeworfen wird, ist für die Klinik ein weiteres Mal unerfindlich: «Selbstverständlich war und ist die Versorgung in allen Belangen und in allen Leistungsbereichen zu jedem Zeitpunkt auf hohem qualitativem Niveau sichergestellt, was ebenfalls die Administrativuntersuchung des Kantons Thurgau bestätigt hat.»
Die engagierte Sozialpolitikerin Barbara Kern betrachtet es jedenfalls als ihre Aufgabe, Misständen, die an sie herangetragen werden, nachzugehen – «ob etwas dran ist, oder nicht.» Das müssten schliesslich die zuständigen Behörden klären.

Geld für Neubau ist da
Die Planung zum Neubau von rund 50 Millionen Franken in Münsterlingen sei abgeschlossen und das Baugesuch wurde am 13. Mai 2013 eingereicht. Allerdings erfolgte eine Einsprache, die derzeit bei der Baubewilligungsbehörde in Bearbeitung steht. Dass die Herzklinik «ihr Kapital für den Neubau in Münsterlingen abgezogen» hätte, sei laut Klinik «frei erfunden».
Das Aktienkapital des HNZB als massgebliche Betreibergesellschaft der Kreuzlinger Klinik betrage unverändert sechs Millionen Franken. Zutreffend sei, dass die CHC Holding als Dachorganisation beider Kliniken (Kreuzlingen und Konstanz) schon 2011 das Aktienkapital reduziert hat.

Bonität ist gegeben
Die Reduktion des Aktienkapitals lasse jedoch keinen Rückschluss auf die Bonität oder die finanzielle Leistungsfähigkeit der CHC Holding zu. Dies sei bereits Anfang des Jahres in einer Einfachen Anfrage Kerns vom Regierungsrat beantwortet worden.

«Aufgrund der in der Einfachen Anfrage vorgebrachten, nachweislich unzutreffenden Behauptungen ist nicht nachvollziehbar, welchen Zielen und Interessen diese dienen soll», so die Klinik abschliessend. Auf jeden Fall könne es sich bei den Informanten angesichts dessen nicht um «gut informierte Kreise» handeln.

Umfangreiche Ermittlungen
Bei der Staatsanwaltschaft Thurgau ist im November 2013 eine Strafanzeige eingegangen. Nach Prüfung der Strafanzeige wurde ein Vorverfahren eingeleitet. Abgeklärt werden verschiedene Vorwürfe. Unter anderem geht es darum, ob im Zusammenhang mit der Ausstellung eines Totenscheines (Leichentransport über die Grenze) eine Urkundenfälschung vorliegt. Ebenfalls untersucht wird die Abrechnung medizinischer Dienstleistungen im HNZB Kreuzlingen gegenüber den Krankenkassen.

Es ist auch noch offen, ob Patienten des HNZB in Kreuzlingen unter Verrechnung der Kosten an Schweizer Krankenkassen in der Konstanzer Klinik behandelt wurden. Die Verabreichung des Medikaments Propofol steht zudem ebenso auf der Prüfliste, wie die Tätigkeit von Ärzten ohne Approbation und die Verwendung von nicht-zertifizierten Herzklappen am HNZB Kreuzlingen.
«Die Ermittlungen werden umfassend, sogfältig und unter Beachtung des Beschleunigungsgebotes geführt und zügig vorangetrieben», so Stefan Haffter, Sprecher der Staatsanwaltschaft Thurgau. Wann das Vorverfahren abgeschlossen sein wird, ist derzeit noch nicht bekannt.

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2 thoughts on “Neue Fragen zur Herzklinik

  1. Bruno Neidhart

    Was genau die Kreuzlingerin Frau Kern (SP) geritten hat, die Herzklinik Kreuzlingen-Konstanz neu wiedermal in den Fokus stellen zu wollen, ist unbekannt. „Aus gut informierten Kreisen“ Schlüsse ziehen zu wollen, ist solange politisch ätzend, wie diese „Kreise“ nicht genannt sind. So ist es gut, wenn sich nun die Klinik sachdienlich dazu äussert und die Vorwürfe zurück weist.

    Antworten
    1. schiesser

      Da Barbara Kern selbst lange im Gesundheitswesen – genau: im Kantonsspital Münsterlingen – gearbeitet hat, kann man davon ausgehen, dass die „gut informierten Kreise“ ihr durchaus namentlich bekannt sind, dass die aber nicht wollen, dass ihr Name öffentlich verhandelt wird. Das ist legitim, wenn man z.B. um eine neue oder alte Stelle fürchtet. Und es ist legitim als Kantonsrätin danach und nach den Möglichkeiten des Kantons in dieser Sache zu fragen. Dass die Klinik sich dazu äussern sollte, ist naheliegend. und auch, dass sie alles bestreitet. Allerdings sollte man das schon genau abklären, bevor man solche Stellungnahmen einfach übernimmt/glaubt.

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