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Was der Krieg mit Menschen macht

Konstanz/Kreuzlingen – Mit der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien begann am 28. Juli 1914 der Erste Weltkrieg. Viel ist zurzeit anlässlich des hundertsten Jahrestages darüber zu erfahren, das meiste aber aus überregionaler Sicht. Den besonderen lokalen Aspekt ins Bewusstsein rückt jetzt eine Ausstellung im Kulturzentrum am Münster in Konstanz.

Die wissenschaftliche Volontärin Lisa Foege und Museumsleiter Tobias Engesing haben die Ausstellung konzipiert. (Bild: Thomas Martens)

Die wissenschaftliche Volontärin Lisa Foege und Museumsleiter Tobias Engesing haben die Ausstellung konzipiert. (Bild: Thomas Martens)

Vom 18. Juli bis zum Jahresende ist hier die Sonderschau «Die Grenze im Krieg» zu sehen. Im Mittelpunkt stehen zahlreiche Originalexponate aus Museen, privaten Sammlungen oder überraschenden Dachbodenfunden. «Sie erzählen die Geschichte von Menschen, die den Krieg aus unterschiedlichen Blickwinkeln erlebt haben», sagt der Leiter der Städtischen Museen Konstanz, Tobias Engelsing, zur Motivation der Ausstellung am überwiegend «friedlichen Bodensee».

Denn abgesehen von einem englischen Luftangriff auf die Zeppelinwerft in Friedrichshafen im November 1914, als ein 21-jähriger Arbeiter aus der Schweiz starb, sei es hier zu keinen Kampfhandlungen gekommen. Zusammen mit der wissenschaftlichen Volontärin Lisa Foege und vielen Partnern hat Engelsing eine Ausstellung konzipiert, die verstehen hilft, warum noch heute die Grenze zwischen Kreuzlingen und Konstanz nicht nur physisch, sondern auch psychisch – in den Köpfen der Menschen – präsent ist.

Schweizer Grenzwächter und Soldaten an einer Wachstation in Kreuzlingen. (Bild: zvg)

Schweizer Grenzwächter und Soldaten an einer Wachstation in Kreuzlingen. (Bild: zvg)

Nichts ist mehr wie es war
«Vor 1914 war alles anders», blickt Historiker Engelsing zurück. Nahezu ohne Beschränkungen hätten sich Menschen und Waren zwischen beiden Städten ausgetauscht. 1914 bedeutete aber eine Zäsur, die bis heute anhält. Die neutrale Schweiz nahm eine Sonderrolle ein und sah sich eingekesselt von Ländern, die sich als erbitterte Feinde gegenüberstanden. Ab August 1914 liess sie ihre Grenzen besetzen.

«Das war die Geburtsstunde des Schmuggels zwischen Kreuzlingen und Konstanz», erinnert Engelsing. Bemerkenswert sei ein Tunnel gewesen, der unter dem Gelände Klein Venedig zu einem damaligen Haus im Hafenbereich geführt habe. Kreuzlingen und seine Thurgauer Nachbarschaft nimmt einen grossen Teil der Ausstellung ein. So sind zum Beispiel Originalzigarren aus der damaligen Zeit, die «Castell-Stumpen», aus dem Archiv von Tabakwaren Portmann zu sehen. Auch wird die Geschichte des Tägerwiler Landarztes Dr. August Egloff aufgezeigt, der als Hauptmann und Stabsarzt für die Schweizer Armee verpflichtet wurde.

Zwar blieb die Bodenseeregion von Kämpfen verschont, die Auswirkungen für die damalige Bevölkerung waren aber dennoch deutlich zu spüren. Vor allem die Nahrungsmittelrationierung machte sich mit zunehmender Dauer des Krieges bemerkbar. Ein Kapitel widmet sich auch der Verrohung der Männer innerhalb kürzester Zeit – aus friedvollen Bauernsöhnen und Lehrburschen wurden gnadenlose, bestialische Mörder. Für Engelsing ist klar: «Die Technik des Tötens beschäftigte die Soldaten relativ schnell.»

Keine Waffen
Die Ausstellung verzichtet aber bewusst darauf, Waffen oder anderes militärisches Gerät zu präsentieren. Vielmehr arbeitet sie das ganz besondere Verhältnis einer Kriegs-Stadt am Bodensee heraus, die aus zwei Teilen in zwei Ländern besteht. Ein historisches «Nachschlagewerk», das die bis dahin vier blutigsten Jahre der Menschheit mit rund 17 Millionen Toten weltweit (über 3000 davon aus dem Konstanzer Regiment) aus lokaler Sicht eindrucksvoll dokumentiert. Zur Ausstellung ist ein reich illustriertes Begleitbuch erschienen.

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