Thurgauer Immobilienmarkt spürt Zurückhaltung
Weinfelden – Liegenschaften sind in den letzten Jahren teurer geworden. Deshalb sind auch die «Eintrittshürden» für die Finanzierung gestiegen. Beim Verkauf von Liegenschaften spürt deshalb der Markt eine zunehmende Zurückhaltung. Das Eigenheim ist aber immer noch viel günstiger als Wohnen in Miete.
Den Abschluss der Geschäftsjahres 2013/2014 per Ende September hat Werner Fleischmann, Inhaber der Fleischmann Immobilien AG, zum Anlass genommen, den Thurgauer Immobilienmarkt genauer unter die Lupe zu nehmen: «Grundsätzlich war unser Umsatz erfreulich und ungefähr gleich hoch wie im Vorjahr. Aber der Kapitalpuffer der Nationalbank, die verschärften Eigenmittelvorschriften und die Selbstregulierungsmassnahmen der Banken haben in diesem Jahr Wirkung gezeigt.»
Das sei zwar für das Immobiliengeschäft dämpfend, «aber für eine sanfte Landung nach der mehrjährigen Boomphase mit ständig steigenden Preisen ist das sinnvoll». Er betont denn auch, dass im Thurgau und in der Ostschweiz generell kein Risiko auszumachen sei, dass eine Immobilienblase entwickeln könnte, die zu platzen droht.
Weniger Gesuche bewilligt
Werner Fleischmann sagt, man spüre einerseits im Verkauf, dass die Zinsen zwar zum Kauf von Wohneigentum animieren. Indes: «Andererseits tragen die strengeren Eigenmittelvorschriften und Rückzahlungsbedingungen dazu bei, dass sich immer weniger junge Familien Wohneigentum leisten können. Vor drei Jahren bewilligten die Banken noch fast alle von zehn Gesuchen – heute sind es nur noch deren sieben, Tendenz abnehmend.»
Zinsen attraktiv, aber…
Fleischmann erklärt die Hintergründe mit einem vergleichenden Zahlenbeispiel: Die Zinsbelastung bei einem Einfamilienhaus mit einem Kaufpreis von 600’000 Franken beträgt zwar nur noch 800 Franken im Monat (Annahme: Hypotheken maximal 80 Prozent des Kaufpreises, Zinssatz bei zwei Prozent). Fleischmann betont, dass ein Haus in dieser Preisklasse im Thurgau aber eher günstig und nicht überall zu finden sei.
…amortisieren und sparen nötig
Fleischmann mahnt deshalb insbesondere im Anbetracht höherer Investitionssummen: «Diese Rechnung ist nicht zu Ende gerechnet worden. Nun ist nämlich neu die zweite Hypothek innert 15 Jahren zurückzubezahlen. So will es die neue Selbstregulierungsmassnahme der Banken auf Druck von Bundesrat und Nationalbank. Man muss dadurch im Monat 500 Franken zusätzlich sparen. Damit «kostet» das Haus für 600000 Franken monatlich bereits 1300 Franken.»
Dies erscheine zwar immer noch sehr günstig, doch gebe es noch eine weitere, entscheidende «Eintrittshürde»: Banken müssen nämlich langfristig mit kalkulatorischen Zinsen von fünf Prozent rechnen. Das ergibt eine Summe inklusive der Amortisation von 2’500 Franken pro Monat. Fleischmann weiter: «Zur nachhaltigen Finanzierung einer Liegenschaft braucht man ein Bruttoeinkommen, das rund drei Mal höher ist als die Wohnkosten.»
Damit müsse man für das 600000-Franken-Haus 7500 Franken verdienen. In Frauenfeld müsse man seit einiger Zeit aber sehr häufig einen Betrag von einer Millionen Franken für ein Haus bezahlen. Dies heisse für die Kosten beziehungsweis den Lohn: «Für ein Millionen-Haus muss man sogar 12480 Franken im Monat, also über 150000 Franken im Jahr verdienen, um dafür monatlich 4160 Franken ausgeben zu können.»
Familien ziehen aufs Land
Fleischmanns Fazit und Erfahrung im Immobilienmarkt: «Wer ein neues Haus kauft, muss auch im Thurgau in der Regel mit einem Einkommen von rund 10000 Franken im Monat rechnen.» Der Strom der Neuzuzüger weg von der Agglomeration Zürich in den Thurgau werde immer deutlicher: «Junge Familien mit einem Einkommen von weniger als 12000 Franken im Monat oder die von Eltern keine finanzielle Unterstützung beim Hauskauf erhalten, sind meist gezwungen, Kompromisse einzugehen.
Auch abseits der Thurgauer Zentren gibt es deshalb eine solide Nachfrage. Aber sobald die Infrastruktur an einem Ort schlecht ist, wird es schwierig, ein Haus zu verkaufen.» Fleischmann betont, dass es bei ländlichen Lagen nebst dem Preis auch darauf ankomme, ob Schulen, eine gute Verkehrserschliessung oder Einkaufsmöglichkeiten vorhanden sind.
Interessant: Eigentumswohnungen
Fleischmann sieht bei den Eigentumswohnungen eine etwas andere Entwicklung, die im Thurgau deutlich erkennbar ist: «Als Käufer von Eigentumswohnungen im mittleren Preissegment um die 500000 Franken treten meistens ältere oder kinderlose Personen auf. Diese verfügen über genügend eigene Mittel, zum Beispiel aus einem Hausverkauf oder aus Ersparnissen.
Damit wird bei einer Finanzierung keine zweite Hypothek benötigt. Dies reduziert die Zinskosten und die Eintrittshürde von fünf Prozent kommt praktisch nicht zum Tragen.» Im Gegenteil, so Fleischmann: «Die Finanzierung von unter zwei Prozent ist derart attraktiv, dass es sich lohnt, die Wohnung zu vermieten und noch einen Gewinn zu erzielen, denn die Gelder bei der Bank werfen derzeit keinen substanziellen Ertrag mehr ab.»