430’000 Franken mehr als 2013
Kreuzlingen – «Sozialhilfe sichert die Existenz bedürftiger Personen, fördert ihre wirtschaftliche und persönliche Selbstständigkeit und gewährleistet die soziale und berufliche Integration.» Dies steht so in der Bundesverfassung und ist auch gesetzliche Grundlage des Sozialhilfegesetzes des Kantons Thurgau. Wie bereits berichtet wachsen die Sozialhilfekosten in Kreuzlingen seit Jahren stetig. Dafür spielen mehrere Faktoren eine Rolle.
Betrugen 2010 die Nettoausgaben in der Sozialhilfe noch 1,5 Millionen Franken, stiegen sie im Jahr 2014 auf insgesamt 4,9 Millionen an. Dies entspricht einem Zuwachs von gut 430’000 Franken oder 9,4 Prozent gegenüber 2013.

Die Kreuzlinger Stadträtin für Soziales, Barbara Kern (SP), kann die Steigerung der Sozialhilfeausgaben in der Stadt erklären. (Bild: Thomas Martens)
Auch für das kommende Jahr rechnet Departementschefin Barbara Kern (SP) nicht mit einem Rückgang der Sozialhilfekosten. Infolge der hohen Ausgaben der vergangenen Jahre erwartet sie beim Sozialhilfelastenausgleich vom Kanton immerhin einen substanziellen Beitrag von einer Million Franken.
400 Dossiers in Arbeit
Ungefähr 400 Dossiers werden derzeit von der Kreuzlinger Sozialhilfe bearbeitet. Wer wieder eine Arbeit gefunden hat, ist verpflichtet, die bezogenen Sozialhilfegelder zurückzuzahlen.
Die Sozialhilfeklienten leisten einen wirtschaftlichen Beitrag durch ihre Arbeit in den Sozialprojekten des Dienstleistungszentrums. «Hier sind bei uns etwa 50 Personen im Einsatz, denen wir eine Tagesstruktur bieten», so Kern. Die Teilnahme daran ist verpflichtend.
Wirtschaft und Versicherungen
Die Gründe für die Steigerung in der Sozialhilfe sind Kern zufolge durchaus vielfältig und auf kommunaler Ebene kaum in den Griff zu bekommen. Da wäre zum einen die stagnierende Wirtschaft, die vorwiegend Menschen im Alter von 55 Jahren als zunehmenden Kostenfaktor entlässt. Zum anderen seien manche Jugendliche bis 25 Jahre aufgrund schlechter Schulleistungen kaum in den ersten Arbeitsmarkt vermittelbar.
Viel schwerer wiegt für die Departementschefin aber die Revision der weiterführenden Sozialversicherungen in den vergangenen Jahren, wie jene der IV und der Arbeitslosenkasse. Dies alles führt dazu, dass die Sozialhilfe vermehrt zuständig ist. Dass die Regelungen bei der Arbeitslosenversicherung verschärft wurden, treffe aus Sicht von Barbara Kern die Falschen: «Dadurch finden Arbeitslose auch nicht schneller wieder einen Job.» Vielmehr treiben sie die Betroffenen eher als bisher in die Arme der Sozialhilfe.
Keine «Sozialschmarotzer»
Seit 2011 werden generell die Rahmenfristen für die meisten Leistungsbezüger begrenzt. Betroffen von dieser Revision sind vor allem Lehrabgänger, welche keine Anschlusslö- sung haben. Diese bekommen maximal 90 Tage Arbeitslosengeld.
Und auch die IV-Revisionen der vergangenen Jahre brachten einige Verschärfungen mit sich. «Es wird häufiger als bis anhin eine Rentenzahlung abgelehnt, weil die Betroffenen angeblich arbeiten können», kritisiert Kern und wehrt sich gegen eine Pauschalverurteilung dieser Personengruppe als «Sozialschmarotzer».
Das Volk hat entschieden
Umschulungen machten nur für bestimmte Personen einen Sinn, die meisten aber seien aus verschiedenen Gründen dauerhaft arbeitsunfähig. Auch diese Menschen werden dann mit Sozialhilfe unterstützt, was letztlich das städtische Budget belastet und Barbara Kern in Rage bringt: «Mich ärgert, dass die Versicherungsträger ihre Verantwortung auf die Gemeinden abwälzen.» Das sei jedoch vom Souverän durch Volksabstimmungen so beschlossen respektiv gewollt.
Fehlende Solidarität
Umwälzungen im Gesundheitswesen führen dazu, dass Gemeinden auch vermehrt für die Kosten der Langzeitpflege und der Spitex aufkommen müssen. Was aber nicht nur mit der demographischen Entwicklung zu tun hat. «Unsere individuelle Gesellschaft ist je länger je nicht mehr bereit, solidarisch und freiwillig einen Beitrag für schwächere und ältere Menschen zu leisten», so Kern. Hinzu kommen die stark veränderten Familienstrukturen der vergangenen zehn Jahre. So gebe es immer mehr Alleinerziehende, die auf finanzielle Unterstützung angewiesen seien.
Mit Hilfe des Jobcoaches für Jugendliche und den Sozialhilfeberatern gelingt es Kern zufolge, etwa zehn bis 15 Personen im Monat eine neue Stelle zu vermitteln. «Der Jobcoach hat sich auf jeden Fall bewährt», bilanziert Kern nach einem Jahr.
„Da wäre zum einen die stagnierende Wirtschaft, die vorwiegend Menschen im Alter von 55 Jahren als zunehmenden Kostenfaktor entlässt.“
Den Satz muss man noch mit „…und mit günstigeren importierten Arbeitnehmern ersetzt“ beenden.
Wenn man ein Feindbild hat, scheint die Welt einfacher zu begreifen zu sein, oder? Richtiger wird’s dadurch nicht. Über 55-Jährige werden nicht in erster Linie ersetzt, im die Stellen dann mit „günstigeren importierten Arbeitskräften“ zu ersetzen – „günstiger“ allein reicht völlig. Denn machen wir uns nichts vor: Arbeitgeber entlassen über 55-Jährige Angestellte entweder, weil sie die betreffende Stelle abbauen wollen oder, weil sie billigere Arbeitskräfte wollen. Ob die importiert oder einheimisch sind, ist egal.
Über 55-Jährige sind teurer als Jüngere, weil sie meistens höhere Löhne bekommen, weil sie länger im Job sind und weil die 2. Säule mit zunehmendem Alter der Beschäftigten teurer wird. Das gilt für inländische und ausländische Angestellte gleich. Dazu kommt,. dass über 60-jährige Frauen und über 61-jährige Männer eine längere Bezugsdauer für das Arbeitslosengeld haben als jüngere Entlassene. Entlässt man also ältere Arbeitnehmer, spart man Lohn und Sozialbeiträge und verursacht – bei längerer Arbeitslosigkeit – weniger finanzielle Probleme bei den Betroffenen (und muss sich damit auch weniger Gedanken über evtl. Abfindungen machen).
In den meisten Berufen, in denen ausländische Arbeitskräfte beschäftigt sind, gibt es entweder GAVs oder Besoldungsordnungen. Beide machen bei der Bezahlung keinen Unterschied zwischen In- und Ausländern- Eine deutsche Krankenschwester arbeitet im Kantonsspital nicht billiger als eine Schweizerin und ein italienischer Bauarbeiter ist auch nicht billiger zu haben als sein Schweizer Kollege. Lohndumping spielt sich vor allem bei entsandten Arbeitskräften ab – also bei solchen, die z.B. auf Schweizer Baustellen arbeiten, aber bei einem ausländischen Unternehmen angestellt sind. Wenn die arbeitslos werden, wird das aber in der Schweiz nicht einmal gezählt.
Das was Sie schreiben ist mir bekannt. Für mich ist das aber eine Tatsache welche sehr viel weniger oft für diese Missstände verantwortlich ist.. Meine Erfahrung zeigt mir das Gegenteil. Wo werden denn diese tausenden von Zugewanderten beschäftigt? Und weshalb ist der Anteil an arbeitslosen Jugendlichen und ü45 so stark angestiegen in den letzten Jahren? Es handelt sich hierbei nicht um ein Feindbild, wenn Sie denn die Rassistenkeule auspacken wollen. Es geht nicht um die Zuwanderer, sondern um die Gesellschaft, welche die sich bietenden „Chancen“ mit Gier ausnutzt.
Sie fragen nicht ernsthaft danach, wo diese Zugewanderten beschäftigt werden, oder? Schon mal in einem Spital gewesen? Pflegepersonal, Ärzte, Laborpersonal, Röntgen- und Medizinisch-Technische AssistentInnen z.B. Das kann man auch ohne Weiteres in Kreuzlinger Arztpraxen erfahren. Das liegt vor allem daran, dass die Schweiz zu wenig solches Personal ausbildet. Sie profitiert also davon, dass z.B. Österreich und Deutschland Ausbildungen bezahlten, die sich die Schweiz sparte. Natürlich sind das nicht die einzigen Orte, an denen Zugewanderte arbeiten – sie sitzen auch an den Kassen von Detailhandelsgeschäften, arbeiten auf dem Bau oder im Büro, sind Techniker und Ingenieure, aber auch Elektriker, Heizungsbauer, Fensterbauer oder Journalisten usw.
Ich habe übrigens von „Rassismus“ kein Wort gesagt oder geschrieben. Es ist mir schleierhaft, wie Sie darauf kommen, ich hätte „die Rassismuskeule ausgepackt“. Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass in den meisten Berufsfeldern (die Journalisten ausgenommen) GAV oder Besoldungsordnungen gelten. Und wer glaubt, ältere Arbeitnehmer würden bei geringerer Einwanderung vermehrt beschäftigt, der schaue mal über die Grenzen: Er wird feststellen, dass auch in Ländern mit weniger Einwanderung die Situation der Arbeitnehmer Ü55 auch nicht besser ist als in der Schweiz.