Heuchelei
Kreuzlingen – Liebe Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, sie haben vielleicht gelesen, dass die ganz grosse Mehrheit des Grossen Rates auf 100 Franken Sitzungsgelder pro Jahr verzichten will, um ihre Bereitschaft zum Sparen zu demonstrieren. (Jost Rüegg, Kantonsrat Kreuzlingen)
Nun, ich bin der Letzte, der nicht gerne und ganz persönlich etwas zur Sanierung der Kantonsfinanzen beitragen will. Nur, die Kürzung der Sitzungsgelder um pauschal 100 Franken pro Jahr, ist eine – im wörtlichen wie im übertragenen Sinne – ganz billige Massnahme. Wenn nur eine einzige Halbtags-Sitzung nicht ausfällt, ist die vermeintliche Einsparung wieder vom Tisch. Es geht den Befürwortern dieser Massnahme, die erst im letzten Moment noch eingebracht wurde, offenbar nur um das Signal nach aussen.
Wollen sich jene Kantonsrätinnen und Kantonsräte, die diese und andere, viel massiveren Kürzungen unterstützen, am Ende noch damit brüsten, dass auch sie freiwillig auf Geld verzichten und es deshalb anderen auch zuzumuten sei, dass halt auch sie auf etwas verzichten müssen? Bei den 102 Kürzungsmassnahmen, die die Leistungsüberprüfen (LÜP) ergeben hat, gibt es einige, die sehr sinnvoll sind. Viele Massnahmen führen aber zu ganz empfindlichen und auch unakzeptablen Kürzungen. Allen voran im Bildungsbereich, um nur eine zu nennen.
Zudem, wer im Rat tätig ist weiss, dass die Arbeit im Grossen Rat eigentlich schlecht bezahlt ist. Die meisten Kantonsrätinnen und Kantonsräte verbringen wesentlich mehr unbezahlte Zeit mit diesem Mandat, als die bezahlten Kommissions-, Fraktions- und Ratssitzungen dauern. Wir tun unsere Arbeit also sicher nicht für das Geld, das wir dafür bekommen. Keine und keiner der Kantonsräte wird die 100 Franken wirklich spüren. Dieses freiwillige Opfer ist eine grosse Heuchelei, die der Sache selber nichts bringt, ausser einer völlig durchschaubaren und damit untauglichen Rechtfertigung für jene Kantonsräte, die die meisten dieser unseligen Sparübungen gutheissen. Wir Grünen gehören nicht dazu.
Zur Erinnerung: In den letzten zwölf Jahren ist der kantonale Steuerfuss in drei Schritten von 137% auf 117%, also um ganze 20% gesenkt worden. Mit einer Korrektur des Steuerfusses von 3% auf wenigsten 120%, würden sich alle Steuerzahler in diesem Kanton in bescheidener aber angemessener Weise an der Sanierung der Kantonsfinanzen beteiligen. Der Beitrag der meisten Kantonsräte läge dann wohl etwas höher als bei 100 Franken pro Jahr, auch der Meinige.
Sie haben recht. Die Fr. 100.00 pro Jahr sind nicht viel und ich glaube auch, dass der Zeitaufwand der Vorbereitung höher ist als jener der Sitzungen. Zumindest bei jenen, die sich vorbereiten, was wohl nicht immer bei allen der Fall zu sein scheint.
Was mich beunruhigt ist dieses „also um ganze 20% gesenkt worden“. Das muss „Politikerwahrheit“ sein. Mein Primarlehrer hat dazu zur Vorsicht gemahnt und gelehrt, dass 137 – 117 zwar 20 seien, dass aber diese 20 nicht 20 % von 137 % seien. Nach Schulmathematik hatte der Lehrer Recht: Die Steuersenkung war nicht 20 % sondern nur 14.6%.
Ich frage nun nicht, um wieviel der Politiker hier seine Angaben „geschönt“ hat. Aber es schleicht sich die Vermutung ein, dass die Politiker eine besondere Mathematik haben. Ob diese bei ihren privaten Ausgaben auch so grosszügig aufrunden? Aber wir reden hier ja von Steuern….