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Das Ringen um den Gestaltungsplan

Kreuzlingen – Zwei Bauherren haben Visionen für das Areal um den alten Migros-Parkplatz. Für sie will die Bauverwaltung den Gestaltungsplan überarbeiten. Verschiedene Ideen wie die Offenlegung des Schoderbachs stossen bei anderen im Quartier auf wenig Gegenliebe.

Nicht nur Sandor Losoncz (r.) und sein Vater sehen die Pläne kritisch. (Bild: sb)

Nicht nur Sandor Losoncz (r.) und sein Vater sehen die Pläne kritisch. (Bild: sb)

Im Dreieck zwischen Konstanzerstrasse, Grenz- und Brückenstrasse tut sich was. Mit ihren Visionen haben zwei Bauherren einen Stein ins Rollen gebracht, der dem Quartier zur Weiterentwicklung verhelfen könnte.

Da wäre zum einen die Aktiengesellschaft Veit, die seit 1919 an der Konstanzerstrasse 3 einen Gardinenhandel betrieben hatte. Für deren Parzelle hat das Winterthurer Architekturbüro Schneider und Gmür 2010 ein Konzept entwickelt. Damals waren fünf Architekturbüros zu einem Studienwettbewerb eingeladen. Im Zuge dessen wurde das Gebäude Konstanzerstrasse 3 renoviert – es steht inzwischen, wie auch das Nachbargebäude Konstanzerstrasse 1, unter Schutz. Dies war, wie René Hornung als Sprecher der Aktiengesellschaft Veit heute sagt, so etwas wie ein «Startschuss» für die Aufwertung des ganzen Quartiers. Im Laufe dieses Studienwettbewerbs – an dem die Stadt in der Jury vertreten war – wurde nämlich klar, dass sich eine Revision des alten Gestaltungsplans aus dem Jahre 1962 aufdrängt.
Für die Parzelle der Konstanzerstrasse 3 sieht die Studie auch einen Ersatzneubau für die als «Provisorien» in den 1930er- und 1940er Jahren gebauten Fabrikationsräume neben der heute sanierten Konstanzerstrasse 3 vor. «Wir skizzierten einen schmalen Neubau, der an die Brandmauer des bestehenden sechsgeschossigen Wohnblocks angebaut würde», erklärt Hornung.

Idee: Wohnheim für Studenten
Zum anderen gibt es die in London lebenden Besitzer der Parzellen 8, 9 und 17, die früher an die Migros vermieteten. Für diese fertigte dasselbe Architekturbüro 2013/14 eine Machbarkeitsstudie an. Möglich wäre eine Umnutzung der Flächen, die seit dem Auszug des Detailhandelsunternehmens aus dem Sockelgeschoss leer stehen. Diese könnten in studentischen (also bezahlbaren) Wohnraum umgewandelt werden. Kleine Geschäfte würden das Quartier beleben. Neue Wohnungen sieht die Konzeptstudie ebenfalls vor: Zwei Gebäudeensembles und ein Einzelbau könnten östlich des Schoderbachs, also auf den Parkplätzen, entstehen, zwei-, drei- oder viergeschossig, mit Backstein-Fassaden, die an die industrielle Vergangenheit des Quartiers erinnern.

Innenhof begrünt, aber urban
Ein offen gelegter und verbreiterter Schoderbach soll inmitten eines von Autos freigeräumten Innenhofs, begrünt aber mit urbanem Flair, fliessen. Fussgänger nutzen den bestehenden Durchgang zur Konstanzerstrasse und ein zweiter ist am ehemaligen Eingang Konstanzerstr. 9 geplant. Geparkt würde dann in einer unterirdischen, zweistöckigen Tiefgarage.

Grundeigentümer miteinbezogen
Zu beiden Ideen hat die Stadtbildkommission Stellung genommen und Empfehlungen zur Weiterbearbeitung des Konzepts, welches als Grundlage für den neuen Gestaltungsplan dienen soll, abgegeben. An zwei Informationsveranstaltungen rief die Bauverwaltung ausserdem alle Grundeigentümer im Planungsperimeter zusammen, um auch deren Anliegen und Wünsche zu erfahren, um diese wenn möglich bei der weiteren Planung zu berücksichtigen.
«Der Gestaltungsplan kann die Regelbauweise in manchen Bereichen überschreiten, in anderen auch beschränken», erklärt Anthony Sarno, Leiter Stadtplanung. Er verfolgt Ziele wie die «qualitative, verdichtete bauliche Entwicklung», die «Aufwertung der Umgebungsqualität», ein «Erschliessungskonzept sowie «attraktive Wege für den Langsamverkehr» und eine «zweckmässige Parkierung» erreichen.
«Es ist wichtig, alle Grundeigentümer an Bord zu holen, damit sie mitgestalten können», erklärt Sarno. Ausserdem beuge man so späteren Einsprachen vor.

«Park wäre schöner»
Nicht alle sind davon begeistert. Etwa Sandor Losoncz und sein Vater, die an der Grenz- und Dufourstrasse wohnen und Ferienwohnungen vermieten. «Ein Gestaltungsplan erlaubt Abweichungen bis zur nächst höheren Zone», weiss der Familienvater. «Ich will  keinen nachteiligen Schattenwurf durch die Neubauten.» Statt einem halblebigen Innenhof wäre ihm ein richtiger grüner Park, «von dem alle etwas hätten», lieber. «Es ist alles voll mit Beton und Wohnungen, keine Grünfläche und Spielplatz in der Stadt für so viele neue Wohnungen und Kinder.» Er sieht auch nicht ein, warum er Land abtreten muss. Profit sei alles was zählt, dabei: «Wir haben hier viel renoviert, dass diese Gegend ein bisschen aufgewertet wird.»
Dann wäre da noch die Tiefgarageneinfahrt an der Grenzstrasse, welche direkt vor seiner Nase zu stehen käme. «Das würde meine Gäste stören», ist er sich sicher. Wenn die Gestaltungsplanrevision wenigstens auch ihm Vorteile bringen würde – so würde ein Pfosten an der Dufourstrasse, wo man von Losnonczs Haus direkt auf die Strasse tritt, für mehr Sicherheit sorgen – dann läge die Sache anders. Aber mit seinen Anliegen fühlt er sich von Seiten der Stadt nicht ernst genommen. Auch der Offenlegung des Baches steht Losoncz skeptisch gegenüber, befürchtet Geruchsimmissionen und Mücken im Sommer. «So ein Bach muss regelmässig gepflegt werden», mahnt er.

«Nur über Enteignung»
Losoncz ist nicht allein mit seiner Kritik. Quartiersnachbar Manfred Büchele wäre von der Ausweitung des Gestaltungsplanperimeters ebenfalls betroffen und zeigt Verständnis für dessen Anliegen. «Davon profitieren nur einige wenige», ist er überzeugt. Muhittin Kahraman, der am Eck Konstanzer-/Grenzstrasse ebenfalls bauen will, aber noch keine konkreten Pläne hat, sagt: «Ich will keinen stinkenden Bach, besser, der bleibt zu.» Und Peter Felber, der an der Konstanzerstrasse 5 Geschäfte und Wohnungen vermietet, will unbedingt an seinen oberirdischen Parkplätzen festhalten: «Ich will keine Tiefgarage, und meine Mieter auch nicht. Das ist zu teuer und nicht sicher genug.» Land zur Bachverbreiterung gibt er nur her, «wenn sie mich enteignen. Und das wird teuer.»

Konsens finden
Mehrere Baustellen also, welche im Zuge der Gestaltungsplanänderung bearbeitet werden müssen. Anthony Sarno ist trotzdem zuversichtlich: «Das Gebiet muss besser genutzt werden, und dafür sorgt der Gestaltungsplan.» Für ihn eine alltägliche Sache, denn rund 120 Gestaltungspläne gibt es im Stadtgebiet. Alle Jahre wieder müssen diese der Zeit angepasst werden – ein langwieriger Prozess.

Und ganz normal, findet René Hornung. Denn: «Bauen braucht Zeit. Die Gebäude stehen danach schliesslich Jahrzehnte, oder gar Jahrhunderte lang, deswegen ist jetzt eine sorgfältige Planung nötig.»

Nachtrag: Mittlerweile veröffentlichte die Stadt eine Medienmitteilung zum Thema.

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