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Netzle ohne Rückhalt

Kreuzlingen – Der Wahlkampf für die Erneuerungswahl von Stadtammann und Stadtrat kommt in Fahrt. Ziemlich alleine steht bis dato der Stadtammann da. Alle Kreuzlinger Parteien versagen ihm mehr oder weniger den Rückhalt (wir berichteten).

Stadtammann Andreas Netzle hat keinen Rückhalt bei den Parteien. (Archivbild: Thomas Martens)

Stadtammann Andreas Netzle hat keinen Rückhalt bei den Parteien. (Archivbild: Thomas Martens)

Vorstand und Fraktion der SVP unterstützen die Wiederwahl von Andreas Netzle nicht. «Wir geben aber dem Stimmvolk keine Empfehlung für oder gegen den aktuellen Stadtammann heraus», so Ortsparteipräsidentin Irène Herzog. Zu diesem Thema gebe es für die SVP zwei Sichtweisen: Die Volksvertreter, welche mit Netzle im Gemeinderat und in Kommissionen nah zusammenarbeiten müssen, und das Stimmvolk selbst, das den Stadtammann und seine Arbeit aus der Ferne beurteilt.

Die praktische Zusammenarbeit mit Netzle sei für die SVP-Fraktion unbefriedigend: «Wir haben das Heu nicht auf der gleichen Bühne». Da die SVP selber aber keinen Gegenkandidaten präsentieren könne und die Zeit dafür jetzt ohnehin zu knapp sei, halte sie sich momentan alle Optionen offen.

Auch die EVP ist mit der Bilanz von Netzle, sogar des gesamten Stadtrates, unzufrieden: «Vier Jahre für die Katz», sagt Thomas Leuch, Ortsparteipräsident. Die Xentrumsprojekte würden eins nach dem anderen versinken, es gebe nur noch Schliessungen von Geschäften an der Hauptstrasse – «langsam aber sicher dramatisch!» Es sei logische Folge,  dass die Finanzen so positiv aussehen: «Wenn wir nichts investieren, wachsen die Berge von selber.»

Klare Kante der FDP
Einen Schritt weiter geht die FDP. Sie empfiehlt Andreas Netzle «aufgrund des allgemeinen Unmutes in sämtlichen Kreuzlinger Parteien» nicht zur Wiederwahl. In einer Stellungnahme meint Ortsparteipräsident Patrik Hugelshofer «dass es einer zukunftsorientierten Führung bedarf und für das Gedeihen unserer Stadt ein Wechsel positiv wäre.» Die FDP hofft auf ein Scheitern Netzles im ersten Wahlgang, und dass sich damit für den zweiten Wahlgang erfolgversprechende Kandidaten zur Verfügung stellen.

Das geht der CVP eindeutig zu weit. Wie einer Mitteilung zu entnehmen ist, unterstützt sie die Stossrichtung der FDP und die Art und Weise ihrer Nichtwahlempfehlung in keiner Weise. Auch die CVP sei nicht immer gleicher Meinung mit dem Stadtammann. Das sei aber noch lange kein Grund, ein paar Monate vor dem Wahltermin für seine dritte Amtsdauer plötzlich ein so grosses Unbehagen geltend zu machen, dass eine Wiederwahl unmöglich sein soll.

«Wenn die FDP den parteilosen Stadtammann so negativ beurteilt, der notabene in den vergangenen Jahren jeweils bei ihren Fraktionssitzungen als Vertreter des Stadtrates teilgenommen hatte, muss die Frage gestellt werden, wieso die FDP mit ihrer Kritik in der Öffentlichkeit jahrelang hinter dem Berg gehalten und während dieser Zeit insbesondere auch nichts für die Suche nach einem Gegenkandidaten unternommen oder zustande gebracht hat», schreibt die CVP.

Ein Aufruf zur Nichtwiederwahl des Stadtammanns ohne der Stimmbürgerschaft einen valablen Gegenkandidaten zu präsentieren, sei eine für Kreuzlingen unwürdige Politposse. CVP-Ortsparteipräsident Alfredo Sanfilippo liess wissen, dass Netzle die CVP aktiv um Unterstützung angefragt habe, in einem Bittbrief übrigens viele andere Personen auch. «Von uns gibt es keine Empfehlung zur Wieder- oder Abwahl», sagte er.

Dies gilt auch für die SP. Gemäss Ortsparteipräsident Cyrill Huber wolle sich die Partei voll auf die Verteidigung des Stadtratssitzes von Barbara Kern konzentrieren. Die Freie Liste wird sich zur Stadtratswahl noch vernehmen lassen.

Wie Teflon
«Ich verstehe, wenn Parteien, die nicht im Stadtrat vertreten sind, wieder mehr Einfluss haben möchten», pariert Netzle den FDP-Dolchstoss gelassen. Und Kritik prallt an ihm ab: «Wenn man den Job macht, muss man wissen, was auf einen zukommt.»

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3 thoughts on “Netzle ohne Rückhalt

  1. schiesser

    Zur Haltung der FDP kann man nur sagen: Jeder blamiert sich, so gut er kann. Seit Netzles Wahl 2006 hätte sie Zeit gehabt, einen Kandidaten/eine Kandidatin aufzubauen, die zumindest Wahlchancen hätte. Nach neun Jahren hat sie immer noch niemanden zu bieten. Das hat sie mit den anderen Parteien gemeinsam. Während nun aber die anderen wenigstens den Mund nicht zu voll nehmen (sondern ihn einfach nur halten), ruft die FDP zur Nichtwiederwahl des Stadtpräsidenten auf – in der Hoffnugn, zwischen 1. und 2. Wahlgang tauche – Abracadbra – ein valabler und ihr genehmer Bewerber auf. Das ist nur lächerlich.
    Dass Netzle wiederum die ausbleibende Unterstützung der Parteien kalt lässt, ist kein Wunder. Schon 2006 hatten ihn nur die EVP, die Freie Liste und die SVP unterstützt – weil ihnen die Auswahl der anderen Parteien nicht gefiel. Dieses Mal sind auch diese abgesprungen. Aber auch sie haben keinen Kandidaten. Also wen soll das dann schrecken? So lange sich nicht einmal die bürgerlichen Parteien vor Stadtpräsidentenwahlen auf einen Kandidaten einigen können, muss der wieder antretende Stadtpräsident keine Abwahl fürchten. In Kreuzlingen reichen bei einer gut 50%igen Wahlbeteiligung schon etwas mehr als 2000 Stimmen, um das absolute Mehr zu übertreffen. Das ist alleweil zu schaffen.
    Schon bei Netzles Vorgänger Josef Bieri (CVP) lief das jeweils ähnlich ab: Die Parteien wollten keine Wiederwahl – und scheiterten. Aber damals brachte wenigstens die eine oder andere noch einen eigenen Kandidaten. Derzeit schaffen sie noch nicht einmal das. 2006 wiederum hatten sie sich zwar erst einmal gemeinsam auf die Suche nach einem Kandidaten gemacht und die Bewerber dann einem externen Auswahlverfahren unterziehen lassen. Danach aber brachte jede ihren eigenen Kandidaten. Dazu kam der Schaffhauser Ökoliberale (und ex-Regierungsrat) Herbert Bühl, der sich zurück zog, weil ihn ausser SVP, EVP und GL niemand unterstützen mochte. Im Gegensatz zu Netzle hätte Bühl politische Erfahrung gehabt – und keine Scheu, sich auch mit lokalen Grössen anzulegen (das hatte in in Schaffhausen die Wiederwahl gekostet). Das Ende vom Lied war dann, dass die Kreuzlinger lieber den politischen Newcomer und parteipolitisch ungebundenen Netzle wählten. Bei insgesamt 7 Kandidaturen schon im 1. Wahlgang und das mit fast vier Mal sovielen Stimmen, wie der Zweitplatzierte erhielt. Da kann er auch beruhigt seine zweite Wiederwahl abwarten.

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    1. Bruno Neidhart

      Die Wahlfrage ist simpel zu lösen: Was hinterlässt jemand – wie hält er es mit Zukünftigem? Geht es „nur um die Person“, gleitet man an den Realitäten vorbei, mit denen sich Stadtbewohner täglich konfrontiert sehen und auseinandersetzen müssen. Entsprechend sollte eine Wahl mit „Parteiengeplänkel“ nichts zu tun haben! Sie ist urpersönlich zu entscheiden. Gar nicht so schwierig also!

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      1. schiesser

        Zuallererst muss es überhaupt einmal jemanden geben, der/die sich wählen lassen will. Dann kann man entscheiden, ob man dem/der zutraut, den Posten gut auszuführen. Ohne „Parteiengeplänkel“ geht das selten, weil a) selten jemand im Alleingang kandidiert und einen Wahlkampf führt und b) die Arbeit nach den Wahlen Unterstützung braucht. Und die leisten bzw. verweigern in parlamentarischen Systemen erst einmal die Parteien. Direktdemokratisch hat dann das Volk das letzte Wort. Aber ganz ohne Parteien funktioniert’s selten. In Arbon hat das einmal in einem Riesendebakel geendet. In Kreuzlingen ist es nicht so – vor allem, weil sich die Parteien untereinander nicht die Butter aufs Brot gönnen, womit sie ihren Einfluss selbst beschränken. Nicht, dass Parteilose keine guten Mandatsträger sein könnten, aber Parteimitgliedschaft hilft bei der Einordnung eines Kandidaten/einer Kandidatin, da gewöhnlich bekannt ist, welche Ziele Parteien verfolgen. Gerade wenn die Kandidierenden selbst z.B. von ausserhalb kommen und deshalb nicht so gut bekannt sind. Das Wort „Wahlversprechen“ kann man ja auf zwei Arten deuten, da bietet Parteimitgliedschaft zumindest Orientierungshilfe – weshalb das „Parteigeplänkel“ dann eben doch wieder nicht völlig unwichtig ist.

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