/// Rubrik: Stadtleben

Wenn die Situation grenzwertig wird …

Kreuzlingen – Die Boutique Clochard reiht sich ein ins Kreuzlinger Ladensterben. Und auch Händler-Urgestein Urs Portmann macht sich Gedanken darüber, Kreuzlingen zu verlassen. Die Verhandlungen laufen.

Eine Cohiba Behike-Zigarre aus dieser Schachtel kostet 52 Franken. Den Preisanstieg für Kunden aus dem Ausland darf sich jeder selbst ausrechnen. (Bild: sb)

Eine Cohiba Behike-Zigarre aus dieser Schachtel kostet 52 Franken. Den Preisanstieg für Kunden aus dem Ausland darf sich jeder selbst ausrechnen. (Bild: sb)

Hier haben nicht wenige Kreuzlingerinnen und Kreuzlinger ihre erste Jeans gekauft. Wehmütig müssen sie jetzt den Wegzug einer Kult-Boutique mitansehen. Die Clochard-Filiale am Boulevard macht dicht. Voraussichtlich auf Ende Februar will der Jeans-Spezialist seine Türen schliessen. «Wir haben zu wenig Kunden», erklärt Inhaber Matthias Stampfli. «Denn der Trend, in Deutschland einkaufen zu gehen, macht sich auch bei uns bemerkbar – obwohl es viele unserer Produkte dort nicht gibt.»

In Kreuzlingen war man seit Anfang der 80er Jahre ansässig. Schweiz-weit führt das Solothurner Unternehmen 14 Filialen. Bald sind es nur noch zwölf, denn der Rohrschacher Standort schliesst ebenfalls. «Wir sehen kein Potential mehr. Dabei haben wir viel versucht, etwa den Outlet-Verkauf», sagt Stampfli. Die jüngsten Entwicklungen seien nicht entscheidend gewesen, der Entschluss ist schon im September gefallen: «Intern gaben wir ihn bekannt, damit unsere Mitarbeitenden sich umschauen konnten.»

Schon länger bekannt ist, dass Tiefenbacher, Ochsener Shoes und die Drogerie Heidegger ihre Geschäfte nicht weiterführen. Ochsner war fünf Jahre lang in Betrieb, Tiefenbacher gar 17 Jahre. Die Drogerie Heidegger wurde indes von Martin Heidegger in der dritten Generation geführt – wiederum eine Geschäftsaufgabe, die etliche Kreuzlinger mit Bedauern zur Kenntnis nehmen müssen.

Nimmt Portmann die Tür?
Und nun redet sogar Zigarren-Guru Urs Portmann vom Wegzug. «Wir befinden uns in Verhandlungen», sagt der 66-Jährige, der seit 45 Jahren am Platz Kreuzlingen ist. Denkbar wäre, etwas weiter in Landesinnere zu ziehen – wohin, will Portmann nicht sagen. Aber: «Wenn der Entscheid gefallen ist, dann wäre hier innert 48 Stunden alles abgebaut.»
Die neuerliche Entwicklung ist für ihn wie der Tropfen, der das Fass zum überlaufen bringt. Es sei jedoch zu früh, um die langfristigen Auswirkungen vorherzusagen. «Dennoch müssen wir reagieren», so der Tabakhändler. Abzuwarten bleibe, ob die Importeure ihre Preise senken können und wollen. Falls nicht, könnte eine mögliche Lösung auch sein, wieder selbst zu importieren. «So wie in den 70er und 80er Jahren», sagt Portmann. Mit Partnern aus der ganzen Schweiz laufen diesbezüglich Gespräche.

Eigentlich will der Kreuzlinger hier gerne bleiben, kämen nicht auch noch die «Zoll- und Verkehrsschikanen» hinzu. Portmann leidet seit Jahren unter der Gesetzgebung, hat mit Steueranstiegen und Preiserhöhungen zu kämpfen. Beispiel Reisefreimengen: Ein Konstanzer darf lediglich zehn Zigarren abgabefrei aus der Schweiz mit nach Hause nehmen; umgekehrt sind es 250. Sollte Portmann seine Filiale 15 Kilometer ins Landesinnere verschieben, wäre die Freimenge wenigstens bei 50 Zigarren.

Stichwort Verkehr: «Die Konstanzer machen mit uns, was sie wollen», übt er Kritik an den Stadtoberen. So hat er die Schliessung des Hauptzolls für den motorisierten Verkehr noch nicht verdaut. Wenn an Hochtagen die Zufahrt vom Döbelekreisel Richtung Schweiz gesperrt wird, bleibe seinen Kunden nichts anderes übrig, als über Tägerwilen zu fahren. Das geplante Lichtsignal am Kreisel werde dieses Problem nur noch verschärfen. Dass der Gemeinderat nun mit höheren Parkgebühren gegen den Einkaufstourismus vorgeht, ist für ihn hingegen lediglich «Kosmetik».

Alarmstimmung wolle er mit seinen Worten jedoch nicht verbreiten, sagt Portmann: «Wir machen uns aber Gedanken.»

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3 thoughts on “Wenn die Situation grenzwertig wird …

  1. Bruno Neidhart

    Die nächsten Wahlen entscheiden auch ein gutes Stück, wie es mit der „realen Chance Kreuzlingen“ steht. Abwarten, bis vielleicht wieder bessere Zeiten anbrechen, sollte definitiv „out“ sein, obwohl das enorme Malaise nicht ausschließlich „hausgemacht“ ist. Bern trägt bekanntlich viel dazu bei. Auch Berlin. Herr Portmann liegt richtig, wenn er zum Beispiel feststellt, dass die „Freimengenregelung“ – sicher nicht nur für sein Gebiet – zu einem großen Hemmnis geschäftlicher Aktivitäten führt. Die Nichtmitgliedschaft in der EU, das nur „bilateralisierte Dabeisein“, wirkt sich hier für Kreuzlingen besonders bei diesem hohen Frankenstand verheerend aus. Nur ist das eben ein politischer Entscheid. Es bräuchte im Grenzraum vielleicht eine Art „Freihandelszone“, um durch die unterschiedlichen Bestimmungen den Handel nicht in seiner Existenz zu gefährden. Oder die angesprochenen „Zoll- und (Verkehrs-!) schikanen“ für den Handel werden so gut wie möglich abgetragen. Es nützt wenig, wenn in der Stadt weiter im großen Masse Wohnungen gebaut werden, die Substanz daraus dann einen anderen Weg nimmt. Eine ganz neue „Standortbestimmung“ steht für Kreuzlingen an: Von was muss man sich verabschieden? Wo liegen dagegen reale Möglichkeiten, die Stadt zum Beispiel durch kräftige Investitionen in die Zukunft hinein deutlicher erkennbar zu machen? Worin liegen die Chancen, zusammen mit der Nachbarstadt auf vielen Gebieten die Zukunft so zu gestalten, dass beide Städte gemeinsam davon profitieren – Handel, Wirtschaft, Kultur, Sport, Verkehr? – usw. „Portmann-Kreuzlingen muss leben!“, kann letztlich als übergeordnetes Motto gelten.

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  2. D. Küntzel

    Grenzwertig mag mein obiger Kommentar sein, aber nicht die Situation am Bodensee.
    In CH-Medien wurde als Gerücht angedeutet, dass die CH-Nationalbank keine Geldwertgarantien gibt, aber bei Bedarf weiterhin Geldmärkte beeinflussen will. Das Bild entstand „die Hürden werden höher, sind bei Training aber machbar“.

    Das Thema Marketing ist interessant: vor kurzem hatte ich einen TV-Bericht gesehen, wie Kunden am Bsp des Lebensmittelhandels manipuliert werden können: Menschen werden durch Licht, Farben, Musik (Rhythmen), Gerüche, Positionierung der Waren nach Preis und Wichtigkeit, Wege und Abstände von Regalen, genügend Platzbedarf der Kunden (Einkaufswagen), „Werbe-/ Lockmittel“, Beeinflussung aller Sinne, Gestaltung, Auslösung von Spontankäufen, usw) beeinflusst.
    Interessant für Gewerbetreibende und Politiker (Wirtschaftsfragen) dürften Vorträge mit Themen aus dem allgemeinen und speziellen Marketing-Studium sein (z.B. Hochschule St. Gallen?); das Gebiet ist allgemein kreativ und vermittelt immer neue Anregungen (auch aus der Praxis).
    Das ergibt einen Ansatz, womit sich Politik und Gewerbetreibende eigene Gedanken machen können. Die einzelnen Gruppen stimmen ihre Ergebnisse untereinander ab, so dass grobe Marketing-Ziele für das ganze entstehen. Manchmal wird ein Moderator als überparteilicher Gesprächsleiter und Schiedsrichter verwendet.
    Weiterhin gibt es Marketing-Agenturen, die umfangreiche Konzepte ausarbeiten; wobei hier das Thema nicht nur Gewerbe für sich, sondern auch Gewerbe + Einkaufsstadt + Märkte mit Grenzsituation. Die Situtation dürfte auch für Agenturen reizvoll sein: Marketing ist auch Management-Aufgabe und Agenturen glänzen gerne bei neuen höheren Aufgaben. Bei dem Thema kann man sicher keine Zeit vergeuden.

    (Kann meine obige Zigarren-Geschichte gelöscht werden?)

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  3. Emmishofer

    Ja…wie schon mal erwähnt habe in diesem Kommentar…nur weiter die Hauptstrasse verengen und absperren und mit blöden „Einbahnreglungen“, etc. ausstatten. Der letzte Kunde wird vertrieben…ich warte nur bis der Coop „Karusell“ den Standort aufgibt – dann wird das Geschrei losgehen…dann ist aber engültig alles zu spät! Ich gratuliere den Verantwortlichen – diese sollen aber dann auch die Arbeitslosen weiter beschäftigen (Verantwortung übernehmen !) Schade für Kreuzlingen….. es ist nicht immer der Eurokurs schuld !!!!!!

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