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Aussage gegen Aussagen

Kreuzlingen/Frauenfeld – Der Diessenhofener Y. C. hat im März 2009 seiner damaligen Kreuzlinger Freundin nach einem Streit den Kiefer gebrochen. Als nicht erwiesen sah es das Bezirksgericht Kreuzlingen jedoch an, dass er sie danach in der Küche einsperrte und nach der Freilassung vergewaltigte. Dagegen ist die Staatsanwaltschaft nun in Berufung gegangen.

Mit drei Ohrfeigen brach er der Geschädigten den Kiefer. (Bild: Gabriele Remscheid  / pixelio.de)

Mit drei Ohrfeigen brach er der Geschädigten den Kiefer. (Bild: Gabriele Remscheid / pixelio.de)

Auf einen Teil des Nachmittags konnten sich Anklage und Verteidigung einigen: Der Türsteher Y. C. holte seine damalige Freundin H. L. am 17. März um 14 Uhr von ihrer Arbeitsstelle in Kreuzlingen ab und brachte sie in ihre Wohnung. Danach entbrannte ein Streit, worauf drei Ohrfeigen folgten und der Beschuldigte der Detaillistin den Unterkiefer brach. Für dieses Vergehen wurde er vom Bezirksgericht Kreuzlingen verurteilt.

Bestritten ist jedoch der weitere Verlauf des Nachmittags. Ihrer Schilderung nach schloss der Mann sie in der Küche über Stunden ein, hielt ihr ein Messer ans Gesicht und versprach «sie umzubringen und ihr Gesicht derart zu verstümmeln, dass sie nie wieder jemand anschaue». Als er nach drei Stunden die Küchentür öffnete, kam es im Hausgang zum Geschlechtsverkehr. Der Beschuldigte spricht von Versöhnungssex, die Geschädigte von Vergewaltigung. Von diesen Vorwürfen sprach ihn das Bezirksgericht jedoch frei, da es nicht genügend Beweise für den Tatbestand einer Vergewaltigung gab: «Im Zweifel für den Angeklagten.»

Aussagen auf der Goldwaage
Die Beweislage ist gleich dünn wie im Juni 2016 bei der ersten Verhandlung. «Es steht Aussage gegen Aussage», wie Verteidiger Marcel Epper immer wieder gerne betonte. Er schoss scharf gegen das Bezirksgericht Kreuzlingen und echauffierte sich darüber, dass das Gericht den Aussagen der Geschädigten mehr glauben schenkte als denen seines Mandanten: «Der Angeklagte fühle sich dadurch vorverurteilt!»

Gleichzeitig versuchte Epper die Glaubwürdigkeit der Frau zu diskreditieren. So habe sie in der Vergangenheit einen Betreibungsregisterauszug gefälscht und Unterstützungsleistungen seitens der Gemeinde nicht vollumfänglich zurückgezahlt.

Verteidigung demontiert sich
Die Verteidigungstaktik hätte fruchten können, wären da nicht noch die weiteren Vergehen des bulligen Diessenhofeners gewesen. Denn in der Berufungsverhandlung vor dem Obergericht wurde nicht nur die angebliche Vergewaltigung behandelt, auch etliche weitere Delikte des Angeklagten Y. C. wurden neu aufgerollt. So demontierte sich die Verteidigung immer mehr selbst, je weiter die Verhandlung fortschritt. Es ging um einfache Körperverletzung, Drohung, Veruntreuung, Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage, Betrug und Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern ohne Bewilligung.

Epper forderte in fast allen Punkten einen Freispruch für seinen Mandanten, obwohl das Bezirksgericht alle Tatbestände bereits anerkannt hat und ihn zu dreieinhalb Jahren verurteilte. So sei dem Beschuldigten neu nur eine Freiheitsstrafe von zwölf Monaten aufzuerlegen, sechs davon bedingt. 98 Tage hat der Beschuldigte bereits in Untersuchungshaft verbracht.

«Ich will nöd, lo mi in rue»
Nach den wortgewaltigen Ausführungen der Verteidigung hielt Staatsanwältin Corina Stark ihr Plä­do­yer kurz. Sie verwies auf ihre Argumentation vor dem Bezirksgericht und ging nur noch auf den Vergewaltigungsvorwurf ein.

Stark zeichnete das Bild einer verängstigten Frau, welche die Straftat selbst gar nicht zur Anzeige bringen wollte. In der Vergangenheit sei sie bereits des Öfteren geschlagen worden, wie Aufenthalte im Frauenhaus belegen. Erst nach dem Kieferbruch verständigte der behandelnde Arzt die Polizei. Sie habe sich beim Geschlechtsverkehr aus Angst vor weiteren Schlägen zwar nicht gewehrt, ihren Unwillen mit «ich will nöd, lo mi in rue» jedoch klar zum Ausdruck gebracht. «Das ist nichts anderes als eine Vergewaltigung», hielt Stark fest.

Nimmt sich was er will
Die Anklage beschrieb die Persönlichkeitsstruktur des Türstehers wie folgt: «Der Beschuldigte nahm sich offenbar jeweils einfach das, was er wollte.» Egal, ob es sich um finanzielle oder körperliche Gefälligkeiten handelte. Oft waren die Geschädigten verflossene Liebschaften oder Freunde. Die Staatsanwaltschaft forderte für diese Vergehen samt Vergewaltigung eine Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren. Das Urteil wird in einigen Wochen erwartet.

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