Kreuzlingen bekommt ein neues Stadthaus
Kreuzlingen – Mit wahrscheinlich dem knappsten Kreuzlinger Abstimmungsergebnis aller Zeiten genehmigten die Stimmberechtigten heute den Bau eines neuen zentralen Verwaltungsgebäudes auf dem Bärenplatz. Auch das Museumskonzept sowie die Budgets von Stadt und Schulen sind durch.
Andreas Netzle machte es sehr spannend. Mit ernster Miene schritt der Stadtpräsident zur Ergebnisverkündung, was viele sofort für ein schlechtes Zeichen hielten und sich besorgt umsahen. Die Anspannung löste sich alsbald mit einem donnernden Applaus, als sich sein Gesicht urplötzlich aufheiterte und er die knappen Zahlen verkündete. Dafür stimmten 2068 (50,06 Prozent), dagegen 2063. Mit nur fünf Stimmen Unterschied, da waren sich die Älteren unter den Anwesenden einig, war in Kreuzlingen noch keine Abstimmung entscheiden worden – nicht einmal die ebenfalls sehr eng ausgefallene Befürwortung zum Kauf des Seeburgareals in den 60er Jahren.
52 Stimmzettel waren leer und 73 ungültig. Die Stimmbeteiligung betrug 50.4 Prozent.
Stadtpräsident Netzle sprach von einem «historischen Tag für Kreuzlingen und seine Einwohnerinnen und Einwohner». Zwei alte Pendenzen – das Stadthaus und die Freihaltung der Festwiese – könnten endlich erledigt werden. Gleichzeitig werde der Weg frei für eine sinnvolle Nutzung des Areals an der Marktstrasse. Das neue Stadthaus sei ein «grosses Bauwerk, das das Stadtzentrum nachhaltig prägen werde.»
Im Namen des Stadtrates dankte er allen Stimmenden, die «Ja zu Entwicklung und Nein zu Stillstand» gesagt hätten. Ebenso dankte er dem Pro-Komitee «Zämecho» sowie den Mitarbeitenden der Stadtverwaltung für ihr grosses Engagement für dieses Projekt. Diese positiv verlaufene Abstimmung sei ein gutes Omen für die weiteren angekündigten Projekte wie die Gestaltung der Romanshornerstrasse, die Erweiterung des Thermalbads Egelsee oder die Parkhäuser an der Seestrasse und am Hafenbahnhof.
Als nächstes wird gemäss den Aussagen des Stadtpräsidenten die Detailplanung an die Hand genommen. Dazu wird eine Baukommission zusammengestellt, eine Verkehrsstudie sowie ein Nutzungskonzept für die Altliegenschaften erstellt und dann die Auftragsvergaben geregelt. Dazu braucht es den Entscheid, ob mit einem Generalunternehmer oder mit Einzelvergaben gearbeitet wird.

Die Stadträte Thomas Beringer (l.) und Ernst Zülle stossen mit Stadtpräsident Andreas Netzle (m.) auf das Ergebnis an.
Bezüglich der künftigen Subventionen für die drei Kreuzlinger Kulturinstitutionen Seemuseum, Museum Rosenegg und Planetarium Sternwarte herrschte bei den Stimmbürgern grössere Einigkeit. 3249 (79,6 Prozent) stimmten Ja für einen wiederkehrende Beitrag von 380‘000 Franken jährlich, gegenüber 834 Nein. Die Stimmbeteiligung betrug 49,7 Prozent.
Das Budget der Stadt Kreuzlingen wurde mit 86,9 Prozent angenommen. Das sind 3473 Stimmen. Die Beteiligung betrug 49,3 Prozent.
Die Budgets der Primar- und Sekundarschulgemeinde erhielten jeweils über 90 Prozent.
Die Volksinitiative «Für eine gute Thurgauer Volksschule» wurde von den Kreuzlinger Stimmberechtigten klar abgelehnt.
Es gibt nichts zu feiern! Die gesellschaftliche Polarisierung wurde markant. Geradezu anstrengen ist es, wenn – wie zu lesen – der Stadtpräsident festzustellen bemüht war, die „Freihaltung der Festwiese“ sei nun gelungen – Absurdistan! Tatsache ist: Trotz der im Rahmen der Abstimmung beispiellosen Propaganda des Stadtrates, sowie selbst dem Erscheinen eines Nationalrates (der eigentlich als CVP-ler den in die Vorlage eingebetteten geschichtlichen Zusammenhang zur Klosterkirche besonders hätte empfinden müssen!) ist eine Pattsituation entstanden, die man bei den „helvetischen Sägemehlartisten“ bekanntlich klar mit „gstellt“ bezeichnen würde, um ein Unikum aufzugreifen – Sägemehlringe – , wie es tatsächlich in einer Bildanimation zum Projekt zu sehen war!
Dass es zu dieser Vorlage überhaupt kommen konnte, erschliesst sich einerseits durch ein „Gefälligkeitsgutachten“ einer auswärtigen Denkmalkomission (!), die „unter bestimmten Bedingungen“ diesen freien Kreuzlinger Stadtraum „zum Abschuss frei gab“, andererseits durch einen Stadtrat der annahm, jedoch niemals einem Zwang unterlag, dass man nun „auf Teufel-komm-raus“ hier planen könne, nachdem der erste, ebenso verwegene Versuch im Dreispitzpark zu bauen, bereits dramatisch gescheitert war.
Aufgrund der historischen Dimension der Zerstörung eines traditionellen, seit Generationen offen gehaltenen Stadtraums mit der umfassenden, grossartigen Sicht auf das Stadtmerkmal Klosterkirche entsteht nun eine aus der Siedlungsgeschichte abgeleitete Verantwortung die darauf hinführen sollte, das „Unternehmen Stadthausdislokation“ noch zu stoppen. Es ist gesellschaftspolitisch wenig sinnvoll, „mit nur fünf Stimmen Unterschied“ zu meinen, nun sei alles gesagt. Es ist solange gar nichts ist gesagt – „Demokratie“ kommt hier für einmal an ihre gesellschaftspolitischen Grenzen – , wie nicht zwei Alternativen zur Abstimmung vorgelegt werden – hätten vorgelegt werden müssen! – mit der Ur-Fragestellung, wo denn die Stadtverwaltung letztlich ihren Sitz haben soll. Die Gegensätzlichkeiten könnten nun nicht grösser sein: Die Hälfte der Abstimmenden meint, das offene Areal Festwiese sei endgültig kräftig zu bebauen, die andere Hälfte bedauert u.a. den Verlust des Stadthauses in der derzeit prekären geschäftlichen Stadtmitte, geht also davon aus, dass die Verwaltung in die historisch designierte „City“ gehört, um ihre unmittelbare Wirkung für die Stadt täglich syergetisch zu entfalten – für Einheimische, Stadtbesucher, besonders auch zugunsten der Geschäftswelt.
Es erstaunte übrigens angesichts der Dimension des vorgelegten „100-Meter-Projekts auf grüner Wiese“ keineswegs, dass sich die Stadtregierung im Abstimmungsvorfeld grundsätzlich nicht traute, in einer für „Ungeübte“ klar erkennbaren Weise die enorme räumliche Beanspruchung des fraglichen Geländes zum Beispiel mittels einer 1:1-Kulisse zu vergegenwärtigen, wie es in anderen Städten bei derart geschichtsträchtigen Bauvorhaben üblich ist. Gleichzeitig wurden Bildanimationen gezeigt, die in keiner Weise den realen Verhältnissen zum umgebenden Raum entsprechen. Hier wurde mit allen „modernen visuellen Tricks“ gearbeitet. Dies sind nur einige Begleiterscheinungen, welche im Rahmen der Abstimmung aufgefallen sind.
Dass es keine Alternative zum Projekt des Stadtrates gab, ist „eine Theorie“, die so absurd klingt – um einmal Georg Christoph Lichtenberg mit einem Aphorismus etwas abgewandelt zu zitieren – , „wie wenn Physiker das Nordlicht durch den Glanz der Heringe zu erklären versuchten“.
Noch ist nichts verloren! Gesucht sind freie, moderne Kräfte in der Stadt, die sowohl geschichtlich denken, wie auch den Zusammenhang zu deuten verstehen, was allein der Verlust des Stadthauses im historischen Zentrum des Handelns und der Begegnung für die Stadt und ihre Zukunft – auch für die Region – zu bedeuten hätte. Dies noch zu korrigiren ist eine politische Aufgabe.
Ich selbst verabschiede mich aus diesem hoffentlich einsetzenden Prozess der urbanen Einsicht. Zur glücklichen Fortschreibung der „Geschichte Kreuzlingens“, besonders zur Zukunft ihrer vernachlässigten „City“, wie besonders auch zur umfänglichen Bewahrung ihres einzigen Stadtmerkmal-Erbes wäre dies von eminenter Bedeutung. Ich bleibe mir dessen voll bewusst.
Was fuer ein absoluter Unsinn und dummes Geschwaetz! Kein Wunder, dass nur ganz selten etwas anstaendiges aus Kreuzlingen kommt. Ich habe die Stadt vor 52 Jahren verlassen und schon damals wurde immer alles von holzkoepfigen Querulanten gestoppt!
Gut, dass die Stadtregierung diesmal gewonnen hat!
Die „Stadtregierung“ hat doch nicht „gewonnen“! Gewinnen ist anders. Die Hälfte hat gegen die Stadtregierung gestimmt, Herr Berger. Wo sind Ihre Argumente, es anders sehen zu wollen? Haben Sie sich mit dem Gegenstand, um den es geht, überhaupt befasst: über Stadtgeschichte, über Kultur, über den Zerfall des Zentrums einer Stadt, die Sie vor 52 Jahren verlassen haben?
Wer vor 52 Jahren unsere Stadt verlassen hat, sollte sich nicht auf diese Weise über Einwohner dieser Stadt äussern. Die Hälfte der Stimmbürgerinnen und und Stimmbürger als „holzköpfige Querulanten“ zu bezeichnen ist auf jeden Fall eine Beleidigung und einer offenbar funktionierendem Demokratie nicht würdig.