Dem Schwimmunterricht fernbleiben ist nicht
Kreuzlingen – In dieser Woche schlug ein Fall an der Kreuzlinger Primarschule hohe Wellen. Die Schulbehörde hat einen Vater angezeigt, der seiner Tochter aus religiösen Gründen den Besuch des Schwimmunterrichts verboten hatte.
«Der Mann glaubt, dass er sonst im Fegefeuer landet», so Schulpräsident René Zweifel am Dienstag im Schweizer Fernsehen über das Dilemma, in dem sich der betroffene Muslim, selbst ehemaliger Kreuzlinger Schüler, befindet. Im Gespräch sei es nicht möglich gewesen, ihn umzustimmen. Also musste der Schulpräsident schwerere Geschütze auffahren und zeigte den Mann per Einschreiben an die Kreuzlinger Staatsanwaltschaft am 25. Oktober an.

Die Achtjährige hat alle 14 Tage Schwimmunterricht. Seit den Sommerferien ist sie diesem jedoch ferngebleiben. (Bild: archiv)
Liberal aber konsequent
Dabei gibt sich die Kreuzlinger Schule in Fragen der Religion eher liberal: Auf Schullagern wird kein Schweinefleisch serviert, Kopftuchtragen im Unterricht ist erlaubt, und Schwimmen wäre auch im Ganzkörperbadeanzug möglich. Wo es geht, versucht man eine Lösung zu finden, damit der Unterricht nicht gestört wird. In den Kreuzlinger Sozialen Medien gab’s für den Beitrag von SRF einen Like-Rekord. Vielfach wurde die Kompromissbereitschaft der Schule gelobt, die Sturheit des Vaters kritisiert.
Früher sei der Betroffene ein unauffälliger Schüler gewesen, der gerne Fussball spielte, so Zweifel. Der Schulpräsident nimmt an, der Mann habe sich über das Internet radikalisiert. Es habe auch nichts geholfen, den Kreuzlinger Imam hinzuzuziehen. Der Mann sei mittlerweile aus der Albanisch-Islamischen Gemeinschaft ausgetreten. «Erstens gibt es die Schulpflicht, zweitens leben wir am See, und da ist Schwimmen notwendig», erklärt Zweifel. «Und drittens wird die Integration des Mädchens erschwert, wenn der Vater sie vom Unterricht oder schulischen Anlässen fernhalten will.»
Bei der Staatsanwaltschaft Thurgau sei die Anzeige eingegangen, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit. Allerdings sei noch kein Strafbefehl erlassen worden. Dem Vater drohe eine Geldbusse oder bei Nichtbezahlen eine Ersatzhaftstrafe.
Richtungsweisendes Urteil
Anlass für die mediale Aufmerksamkeit des Kreuzlinger Falls war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Strassburg vom Dienstag. Dieser wies eine Klage muslimischer Eltern aus Basel zurück. Die Teilnahme am schulischen Schwimmunterricht verletze die Religionsfreiheit nicht. Das Interesse an der Integration der Kinder sei höher zu gewichten.