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War der Baseballschläger im Auto?

Kreuzlingen – Am Bezirksgericht Kreuzlingen wurde vergangene Woche ein spannender Fall verhandelt. Angeklagt war ein junger Mann wegen Nötigung und Erpressung, einer als dessen Gehilfe. Auf den Natels wurde zudem noch pornographisches Material mit zweifelhaftem Inhalt gefunden. Vor Gericht konnten sich die Angeklagten nur mehr schwer an den Vorfall erinnern.

(Bild: Archiv)

Im Herbst 2015 erhielt der 26-jährige Angeklagte, ein junger Handwerker, die Kündigung einer Kreuzlinger Firma. Für ihn war klar, dass diese an seinen ständigen Streitereien mit einem Kollegen lag. Als dann der versprochene Gesundheitsbonus über 2000 Franken nicht ausgezahlt wurde, forderte er daher die Hälfte der Summe von diesem, als Entschädigung. Als es zu einem Treffen der beiden kam begleitete den Angeklagten ein Freund, der mit im Wagen sass. So weit herrscht Einigkeit im Gerichtssaal, als in der vergangenen Woche dieser Fall behandelt wurde. Ab diesem Punkt aber gibt es zwei Versionen der Geschichte. Der Angeklagte erzählt, dass das Treffen zwar in einem Streit mit Beschimpfungen endete, er aber kein Geld erhalten habe und auch keine Gewalt ausgeübt hätte. Sein Begleiter sei teilnahmslos im Wagen gesessen und habe – wenn überhaupt – deeskalierend auf das Geschehen eingewirkt. Von Erpressung, Nötigung und Bedrohung beziehungsweise der Gehilfenschaft zu diesen Straftatbeständen will die Verteidigung nichts wissen.

Aussage gegen Aussage
Die Anwältin des Klägers, der nicht anwesend war, hingegen schildert den Vorfall in einem anderen Licht. Sie führt Bedrohungen auf, die auf jede Person Wirkung zeigen würden. «Ich chum mit mine Brüedere», «sie breched dir d’Chnoche», «sie vergewaltiget dini Frau», «»du bisch gsi» und zudem einige Beschimpfungen, die aus dem unteren Bereich des Sprachniveaus stammen. Weiter hätte der Angeklagte seinen Begleiter aufgefordert, einen Baseballschläger aus dem Auto zu holen, um «hinters Eck zu gehen». Ein ärztliches Attest bestätigt Ohrfeigen und auch von mehrfachem Anspucken ist die Rede. Ihr Mandant hätte aufgrund des Vorfalls Angstzustände und könne nicht mehr arbeiten. Bei einer Hausdurchsuchung des Angeklagten wurde kein Baseballschläger gefunden, diesen hätte es laut Aussage der Angeklagten auch nicht gegeben. Dafür kamen zwei Schreckschusspistolen zum Vorschein, ohne entsprechenden Nachweis oder Einfuhrbewilligung. Und auch die Durchsuchung der Natels blieb nicht ohne Folgen. Im Whats-appverlauf fand sich ein Video mit der Darstellung eines nackten Bubens, der von einem Plüschhäschen oral befriedigt wurde – Kinderpornographie nannte es die Anklage, einen «geschmacklosen Witz» die Verteidigung. Die Staatsanwältin führte auf, dass die beiden Angeklagten in diversen Verhören wenig überzeugend den Tatbestand leugnen konnten, wie sie es vor Gericht jedoch weiterhin taten. Sie plädierte für eine Geldstrafe von 38 700 Franken als Strafe für die Tatbestände der qualifizierten Erpressung, der Nötigung, der mehrfachen Bedrohung sowie Beschimpfung, Tätlichkeiten sowie Zuwiderhandlungen gegen das Waffengesetz und der Pornografie. Zusätzlich forderte sie eine Schadensersatzzahlung an das Opfer und auch die Übernahme der Verfahrenskosten. Die Anwälte der Angeklagten plädierten für einen Freispruch, lediglich der Vorwurf der Beschimpfung wurde eingesehen. Die Schreckschusspistolen seien optisch nicht mit echten Waffen zu verwechseln und daher nicht illegal und das Video habe keinerlei sexuell aufreizende Inhalte und sei somit nicht als pornographisch zu bewerten.

Indizien sprechen dafür
«Es handelt sich um einen Indizienprozess, da am Hauptvorwurf nur drei Personen beteiligt waren», erklärte die Richterin den anschliessenden Schuldspruch. Die Protokolle der ersten Einvernahme würden die Aussagen des Klägers teilweise bestätigen. Auch die ausgewerteten Handydaten bezüglich Zeit und Ort würden für den dargestellten Tathergang sprechen. «Und ob das Pornovideo nun nur geschmacklos oder zur Erregung dient, kann das Gericht nicht feststellen», sagte die Richterin. Der Gesetzesartikel sei als absoluter Schutz für Minderjährige gedacht und werde auch so gehandhabt. Aber ob die beschlagnahmten Pistolen auch wirklich echten Waffen ähnlich seien, könne das Gericht nicht beurteilen, da in der Anklage Bildmaterial dazu fehle. So folgte die Richterin, abgesehen von der Zuwiderhandlung gegen das Waffengesetz, allen Forderungen der Staatsanwältin gegenüber dem Hauptangeklagten. Sie verhängte eine bedingte Haft über zwölf Monate und einer Gesamtsumme von 28 200 Franken für Schadensersatz an den Kläger, Busse, Genugtuung sowie die Verfahrenskosten. Sein Freund kam glimpflicher davon. Bei ihm konnte das Gericht nicht einwandfrei feststellen, ob es sich um eine Gehilfenschaft zur qualifizierten Erpressung handle. Drohungen hätte er aber im Laufe des Vorfalls eindeutig ausgesprochen und auch für das Verschicken des Pornos wurde er verurteilt. Eine Übertretungsstrafe von 500 Franken sowie Genugtuung von 2000 Franken bei einer Probezeit von zwei Jahren muss dieser berappen. Das bei der Hausdurchsuchung beschlagnahmte Geld sowie die Schreckschusspistolen wurden eingezogen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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