/// Rubrik: Stadtleben

Verhandlungen verschoben

Kreuzlingen – Das Rathaus in Kreuzlingen wird noch länger als Gerichtssaal herhalten müssen. Das Bezirksgericht Kreuzlingen muss die gesamte Beweislage von unverwertbarem Material säubern, wodurch sich das Verfahren um zwei Monate verzögert.

Das Kreuzlinger Rathaus wird zum Gerichtssaal. (Bild: sb)

Geklärt werden soll der Tod eines IV-Rentners in Kümmertshausen im November 2010. Vier Personen werden in diesem Zusammenhang der vorsätzlichen Tötung verdächtig. Während den Ermittlungen kamen noch weitere Komplizen zu Tage, mittlerweile geht die Staatsanwaltschaft von einer gut organisierten, kriminellen Gruppierung aus und klagte zehn weitere Personen in Zusammenhang mit Menschenschleusungen, Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz und Erpressung an (wir berichteten).

Seit dem Verfahrensauftakt am 20. Februar wurden ganze 30 Vorfragen aufgeworfen zur Gültigkeit der Anklagen, zu ungültigen Beweisen oder Verjährung. Drei Wochen später konnte Bezirksrichter Thomas Pleuler die Phase der Vorverhandlung immernoch nicht für beendet erklären und mit dem eigentlichen Verfahren beginnen.

Im März 2015 verurteilte das Bezirksgericht Kreuzlingen einen der Beschuldigten in einem abgekürzten Verfahren wegen Gehilfenschaft zur vorsätzlichen Tötung zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. Das Obergericht erklärte diese Verfahrensabtrennung im November 2015 für ungültig und hob das Urteil wieder auf.

Unverwertbare Aussagen
Zahlreiche der 14 Pflichtverteidiger versuchten nun beim Auftakt des gemeinsamen Verfahrens eine Art Kronzeugendeal bzw. Geheimtreffen zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Beschuldigten zu konstruieren. Informelle Treffen, für die es Indizien gibt, sieht das Gericht jedoch nicht als unzulässige Absprachen an. «Es liegt in der Natur der Sache eines abgekürzten Verfahrens, dass man sich vorher bespricht», befand Thomas Pleuler, Vize-Präsident des Bezirksgerichts Kreuzlingen. Problematisch ist jedoch, dass das abgekürzte Verfahren nicht zu stande kam und der Beschuldigte nun zusammen mit seinen Kumpanen auf der Anklagebank sitzt. Denn alle Aussagen, die der Türke im Rahmen des verkürzten Verfahrens gemacht hat, können im ordentlichen Verfahren nicht mehr verwertet werden. «Das hat erhebliche Konsequenzen auf das Verfahren», so Pleuler. Das Gericht muss nun alle Erklärungen, die der Beschuldigte seit Mai 2013 gemacht hat, aus den Akten entfernen.

Ungerechte Einvernahmen
Hinzu kommt, dass das Bundesgericht den zwei anfangs mit dem Fall betrauten Staatsanwälten den Anschein einer Befangenheit attestiert hat und diese daraufhin vom Fall abgesetzt wurden. Zahlreiche der Amtshandlungen des Duos seit April 2012 sind deshalb nicht verwertbar. Die Staatsanwälte sind ausserdem wegen Amtsmissbrauch und Urkundenfälschung angeklagt. Die nun federführende Generalstaatsanwaltschaft stellte den Antrag, dennoch einige Beweise der beiden nutzen zu dürfen, was das Gericht ablehnte.

Zu guter Letzt scheint es während den Einvernahmen durch die Staatsanwaltschaft zu falschen Parteizuweisungen gekommen zu sein. Einige der Beschuldigten wurden zuerst als Auskunftsperson befragt und später zum gleichen Tatbestand angeklagt. Das ist insofern problematisch, da die rechtlichen Belehrungen verschieden sind. «Wer befragt wird, aber seine Rechte nicht kennt, der ist zu schützen», stellte Pleuler klar. Das Gericht muss nun rund 500 Einvernahmen durchkämmen und allenfalls bereinigen.

Das alles sind «sehr komplexe und aufwändige Prüfungen», wofür das Bezirksgericht reichlich Zeit benötigt. Darum werden zwei Verhandlungsblöcke auf Dezember verschoben, der Prozess geht erst am 2. Mai weiter. Bis dahin wird sich zeigen, wieviel vom Beweismaterial noch verwertbar ist und wie die Generalstaatsanwaltschaft ihre Anklagen allenfalls anpassen müssen. Ob noch dieses Jahr mit einem Urteil zu rechnen ist, ist unklar.

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