Vom Quereinsteiger zum Queraussteiger
Kreuzlingen – Die Fraktionspräsidenten Christian Brändli, Thomas Dufner, Hansjörg Gremlich, Ruedi Herzog und Daniel Moos haben die Nachfolge des Stadtpräsidenten thematisiert. Um Kandidaten zu finden, brauche es Zeit.

Stadtpräsident Andreas Netzle (r.) stösst nach dem Ja zum Stadthaus mit den Stadträten Ernst Zülle und Thomas Beringer an. (Bild: sb)
Stadtpräsident Andreas Netzle hat letzte Woche die Bevölkerung, den Gemeinderat, den Stadtrat, die Verwaltung sowie die Medien mit seiner Rücktrittsankündigung überrascht. Als politischer Quereinsteiger vor zehn Jahren in dieses Amt gewählt, steigt nun Andreas Netzle ebenso quer wieder aus und in die Privatwirtschaft um. Kaum jemand hatte jetzt, mitten in der Legislatur, dieses Szenario auf dem Radar. «Jeder ist ersetzbar», sagt der Stadtpräsident. Natürlich wird die Stadtverwaltung weiter gut funktionieren und der restliche Stadtrat die Geschicke der Stadt vernünftig leiten können.
Verantwortungsvolle Politik zu betreiben, heisst aber, den politisch Involvierten sowie der Öffentlichkeit – zum Wohle der Stadt – genügend Zeit zu geben, um einen geeigneten Nachfolger oder eine geeignete Nachfolgerin zu suchen, aufzubauen und in einem sauberen politischen Prozess ins Amt wählen zu lassen. Hier vermissen wir das politische Verantwortungsgefühl des Stadtpräsidenten, das die Interessen der Stadt mindestens auf die gleiche Stufe mit seinen persönlichen Interessen stellen würde. Es war notabene Andreas Netzle, der anlässlich der letzten Wahlen vor zwei Jahren die Bedeutung der Kontinuität betont hatte.
Nun ist es wie es ist; aber die politischen Parteien und Gruppierungen wollen die Kandidatensuche sorgsam vornehmen und sich durch das Vorgehen des Stadtpräsidenten nicht unter zeitlichen Druck setzen lassen. Oberste Maxime muss es sein, einen unserem demokratischen Empfinden entsprechenden, sorgfältigen Auswahlprozess und Wahlkampf vorzubereiten. Die dafür notwendige Zeit wollen und müssen wir uns nehmen und uns auf keinen Fall auf Schnellschüsse einlassen.
Es wird nicht leicht werden, einen „geeigneten Nachfolger“ zu finden. Oder sagen wir es so: Der plötzlich Abgehende hinterlässt „Baustellen“, mit denen sich ein Neuer – oder eine Neue (!!!) – zu identifizieren hätte. Eine dieser „Baustellen“ ist das neue Stadthaus, das ja prozentual viele Stadtbewohner/Abstimmende dort u.a. als nicht sinnvoll erachten. Ob sich dieses Faktum ein Neuer oder eine Neue einfach so nolens volens antun möchte, weiss ich nicht. Das Administrative wird tatsächlich auch ohne den „Patron“ weiter funktionieren. Dazu sind Stadtbeschäftigte vorhanden. Sie machen ihren Job selbständig gut. Ein Stadtpräsident/-präsidentin braucht es dagegen mehr für kreative Ideen, welche eine „moderne Stadt in Konkurrenz“ positiv beflügeln und prägen könnte – gewerblich, kulturell, gesamtgesellschaftlich, stadtgestalterisch, „geistig“. Mit „Quereinsteiger“ hat „fehlende Kreativität“ allerdings nichts zu tun. Eine Stadt könnte damit auch mal gute Erfahrungen machen. Es muss nicht immer ein einheimischer poltischer Platzhirsch nachfolgen. Auf die Suche – los! Für die sehr gut dotierte Stelle werden sich schon einige melden. Viel Glück – „cruzelin“!