Appenzell zu Gast
Konstanz – Im Kulturzentrum am Münster bietet eine Sonderausstellung einen vertieften Blick in den Alpstein. Die bewegte Geschichte des Appenzells und des Toggenburgs werden mit den passenden Bauernmalereien der bekanntesten Künstler beleuchtet.

Aus einem 90 Liter fassenden Chäschessi konnten um die zehn Kilogramm Fettkäse gewonnen werden. (Bild: ek)
«Die Welt ist zu einem globalen Dorf geworden. Wir fliegen auf die Kanaren, die benachbarte Kulturlandschaft kennen wir jedoch nur wenig», erklärt Dr. Tobias Engelsing, Direktor der städtischen Museen Konstanz, die Motivation, ausgerechnet das Appenzell in einer Sonderausstellung den Konstanzern näher zu bringen.
Viel zu bieten haben die beiden nordöstlichen Kantone Inner- und Ausserrhoden alle Mal. Die Ausstellung ist darum auch eine bunte Mischung aus Geschichtlichem, Alltäglichem und Künstlerischem. Rund 100 Gemälde sind ausgestellt, dazu kommen weitere 100 Objekte aus der Geschichte des Appenzellerlandes. Das Bild der heiteren Bergbauern wird dabei schnell aufgebrochen. «Die herrschaftlichen Patrizierhäuser sind nicht durch die Landwirtschaft finanziert worden», beleuchtet Engelsing die kriegerische Vergangenheit des Bauernvolkes. Appenzeller waren im Mittelalter gefragte Söldner, welche mit ihren Spitzen Stangenwaffen gefürchtete Gegner der gängigen Ritterheere waren. Auch die kriegerische Emanzipation von der Herrschaft des St. Galler Abts, was zeitweise sogar zu einem Krieg mit Konstanz führte, wird in der Ausstellung aufgezeigt. Nachdem die Schweizer Eidgenossenschaft das Söldnertum verbot, verzogen sich die findigen Appenzeller jedoch nicht in ihre Sennenhütten, sondern suchten andere Wege, ihre Qualitäten auf dem Weltmarkt feilzubieten.
Käse, Stickereien und die weisse Appenzeller Ziege (gezüchtet um in der kargen Berglandschaft wiedergefunden zu werden) waren Exportschlager. Gleichzeitig verinnerlichten sie Fremdes, blieben ihrer eigenen Tradition dabei aber treu. «Die knallgelben Hosen gibt es nur wegen Farbstoffen aus fremden Kolonien», so Engelsing. Spannend auch der Verlauf der Reformation, welche zur Glaubensspaltung und zur bis heute bestehenden Aufteilung des Appenzells in zwei Halbkantonen führte. Im protestantischen Ausserrhoden entstand ein überregional erfolgreiches Textilgewerbe. Im katholisch geprägten Teil Innerrhodens entwickelte sich die Sennen- und Alpwirtschaft weiter.
Das gemalte Bergleben
Vom diesem teils farbenfrohen, teils kargen Leben zeugen seit fast 200 Jahren die Appenzeller Bauernmalereien. Das Rosgartenmuseum konnte für die Ausstellungen Leihgaben bedeutender Maler dieser volkstümlichen Kunst gewinnen. Die Gemälde von Christian Vetsch, Albert Manser oder Ulrich Martinelli sind mittlerweile unweigerlich mit dem Appenzell und der Schweiz verknüpft. Die Meister ihres Fachs gehörten überwiegend den unteren Gesellschaftsschichten an, waren Knechte, Taglöhner oder Verdingbuben und zeichneten mit einer akribischen Genauigkeit die Appenzeller Traditionen auf. So können Betrachter auch heute noch die «Öberefahrt», «Stobete» oder «Silverchläuse» nachempfinden. Was es mit den Appenzeller Bräuchen genau auf sich hat, erfährt man im Kulturzentrum am Münster.
Heimat Alpstein
Im Rahmen der Sonderausstellung ist ein anschaulich geschriebenes, reichhaltig illustriertes Bilder- und Lesebuch mit dem Titel «Heimat Alpstein» erschienen. Es ist im Südverlag oder gleich im Kulturzentrum am Münster erhältlich.
Ein Rahmenprogramm zur Ausstellung bietet zudem Exkursionen an historische Stätten beider Halbkantone, musikalische Abende und ein kulinarisch-appenzellerisch geprägtes Mueseumfest am 15. Juli. www.konstanz.de/rosgartenmuseum