Ein Kreuz ist zurückgekehrt
Kreuzlingen – Das original Reliquienkreuz nach Kreuzlingen zurückzuholen bedurfte grosser Anstrengungen. Die Verantwortlichen sind froh, es am Sonntag der Öffentlichkeit präsentieren zu können.
Ganz vorne in der Basilika St. Ulrich steht ein Reliquienkreuz, in dem angeblich original Holzsplitter vom Heiligen Kreuz eingefasst sind. Zusammen bilden beide Gegenstände das «Cruzelin», eine Einheit, von welcher unsere Stadt ihren Namen hat. Das Reliquienkreuz indes war ein Ersatz (wir berichteten), angefertigt, weil der Kanton das 460 Jahre alte Original 1848 eingezogen hatte. Das ursprüngliche Kreuz landete später über Umwege in den Vatikanischen Museen – und fiel in Vergessenheit.
Bis Lokalhistoriker Georg Strasser den Auftrag eines damaligen Pfarrers bekam, nachzuschauen, ob das Kreuz noch existiere. «Als ich zur Vereidigung meines Sohnes 1994 in der Schweizer Garde im Vatikan weilte, fragte ich nach», berichtete Strasse. «Und konnte daheim Positives berichten.» Bei einem späteren Rom-Besuch sah er es sogar ausgestellt.
In Kreuzlingen stiess Jules Brenneis im Zuge der Erneuerung des Kirchenmuseums 2014 auf ein Bild des Kreuzes. Der Gedanke, es wieder nach Kreuzlingen zu holen, habe dann auch ihn nicht mehr losgelassen. Beide Männer fuhren erneut nach Rom und dort fassten sie ihren Plan. «Es war eine Bieridee», sagen sie. «Wenn wir gewusst hätten, was da auf uns zukommt, hätten wir vielleicht gar nicht erst angefangen.»
Glücklicherweise konnten sie etliche bedeutsame Personen zur Unterstützung bewegen – und überzeugten mit Pfarradministrator Alois Jehle schnell einen gut vernetzten Vatikankundigen vom Projekt. «Wenn man 17 Jahre im Vatikan lebt, dann kennt man die Leute», so der Seelsorger von St. Ulrich.
Vatikan schenkte Leihgebühr
Zahlreiche Bittschriften und ein umfangreiches Dossier später kam das Kreuz sicher verpackt in St. Ulrich an. Der Vatikan zeigte sich so vom Projekt überzeugt, dass er keine Gebühren verlangt. So bleiben die Kosten für Hin- und Rücktransport, die Versicherung, den Bau einer Vitrine zum Schutz, die Spesen für die vatikanische Kuratorin, welche den Transport begleitete, sowie Drucksachen und eine Alarmanlage in der Basilika – insgesamt rund 25’000 Franken. Spender und ein Zustupf von Stadt und Kirchgemeinde machten es möglich.
Für Jehle hat die Leihgabe nicht nur religiöse Bedeutung. «So viele Kreuzlinger, egal welcher Religion oder Kultur angehörig, sind begeistert, dass das Kreuz zurückkommt. Weil es ein Teil der Stadt ist», sagt er. «Es versendet die Botschaft friedlichen Zusammenlebens.» Der Leihvertrag für den mit mehreren 100’000 Franken versicherten Gegenstand läuft über drei Monate. Doch das Projektteam ist zuversichtlich, diesen verlängern zu können, vielleicht sogar über mehr als ein Jahrzehnt hinweg. Denn davon sind sie überzeugt: «Das Kreuz ist für die Stadt wichtig.»
Freudentag
Am Sonntag ist ein Freudentag für die Kreuzlinger Katholiken: Sie feiern den 50. Jahrestag der Erhebung der Kirche St. Ulrich zur Basilika. Am gleichen Tag enthüllen die Verantwortlichen im Rahmen des Festgottesdienstes das original Reliquienkreuz. Beginn ist um 11 Uhr.
Eine erstaunliche Tat der Beteiligten – die späte Rückführung dieses Objekts („Es war eine Bieridee“, sagen die beiden Protagonisten G.St. und J.B)! „Weil es ein Teil der Stadt ist“, meint Pfarradministrator Jehle über das originale Reliquinkreuz, das nun mindestens eine kurze Zeit (?) in seiner Heimat verbleiben soll. Gleichzeitig erinnert es wiedermal an die Säkularisation, die auch das Kreuzlinger Augustiner-Chorherrenstift anfangs 19. Jahrhundert erfasste, in dem der Karton u.a. vieles aus dem Klosterbesitz „verramschte“ und die Gebäude konfiszierte. Bekanntlich liess der Kanton auch gleich mal den Bibliothekstrakt des Klosters abreissen, der gegenüber „Rutishauser“ den Kreuzgang einschloss. Man kann natürlich sagen, „es war eine andere Zeit“. Das ist richtig. Andererseits wird heute mit dem aggressiven 100 Meter-Bau des Stadthauses im Weichbild der Klosteranlage wiedermal die Geschichte und Präsenz von „cruzelin“ beschädigt. Dies ist nicht nur aus stadthistorischer Sicht bedenklich.