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Vom Suchen und Finden der Kunst

Kreuzlingen – In der Wohnung des Kreuzlinger Künstlers Jürg Schoop stapeln sich seine Werke in mehreren Zimmern. Die Malerei und das Collagieren hat er überwunden und ist nun beim Medium der Fotografie angekommen. «Found-Art» nennt er die Aufnahmen, welche Fundstücke aus dem Alltag, zumeist in Nahaufnahmen, zeigen. Derzeit stellt das Naturmuseum Thurgau in Frauenfeld «Das Unspektakuläre im Fokus oder: die Poesie eines Miststocks» aus.

Der Kreuzlinger Künstler Jürg Schoop mit Katze Gioia auf seiner Veranda. (Bild: vf)

Bereits seit seinem fünfzehnten Lebensjahr fotografiert Jürg Schoop seine Umgebung. Die Bilder von Menschen, Orten und Dingen aus dem Alltag füllen zahlreiche Alben und seit der Digitalisierung auch Festplatten. Intensiv und ausschliesslich betreibt Schoop die Fotografie seit gut einem Dutzend Jahren. Zuvor hat er sich der Malerei und Collagen gewidmet. «Man kann nicht gleichzeitig Künstler und Fotograf sein», so der Ex-Painter, wie Schoop sich selbst bezeichnet. 1934 wurde Schoop in Romanshorn geboren. Mit 19 Jahren verliess er die Heimat erstmals, um nach Zürich zu gehen. Dorthin zog es ihn nach der Scheidung von seiner ersten Frau wieder. Es begann eine Biografie quer durch verschiedene Berufe: Dekorateur, Grafiker, Werbetexter, Journalist und in der Erwachsenenbildung. «Ich habe mein ganzes Leben darauf geachtet, nicht von der Kunst leben zu müssen», so Schoop. Sogar in einer Bank hat er einmal gearbeitet. Beim Einstellungsgespräch wurde ihm versprochen, dass er aufgrund der damaligen Pfundflaute wenig zu tun habe und Zeit zum Lesen finden würde. Das Pfund stieg aber wieder an und somit auch die Bankiersgeschäfte. «Ich musste also Rechnen lernen. Unglaublich eigentlich, wenn man mich kennt, aber nach zwei Monaten war Schluss damit. Meine Freiheit war mir wichtiger.» Aus diesem Grund hat der Künstler mehrere Karrieren ausgeschlagen.

«Man kann eine Menge Geld verdienen. Aber man korrumpiert sich dann derart, dass man nicht mehr weiss, was man eigentlich gerade macht.»

Als junger, wenig erfolgreicher Künstler und Freiberufler hat sich Schoop oft gefragt, ob  alles Sinn macht. Dennoch würde er im Rückblick nichts an den Entscheidungen seines Lebens ändern. Seine Eltern hätten ihn gerne in einer ordentlichen Anstellung gesehen. Den Beruf des Lehrers hat seine Mutter ihm ans Herz gelegt, so könne er ja in den Ferien malen und Kunst machen. Aber so einen Lebensstil verachtet der Künstler, der nun seit fünf Jahren mit seiner Frau Gerti Wülser in Kreuzlingen lebt und arbeitet.

Auf Reisen nach Lanzarote entstanden Fotografien von Schieferplatten, die rund um ein Hotel in Arrecife angelegt sind. In jeder einzelnen sieht Schoop ein Kunstwerk: «Der Verwitterungsprozess legt diverse Schichten frei. Dadurch entstehen ungeheuer malerische Impressionen.» Auch die Konfrontation mit einem Miststock, der jahrelang von seinem Fenster aus zu sehen war, hat Schoop inspiriert. Wie eine unbeabsichtigte Installation ist dieser in ständiger Veränderung durch die Jahreszeit und das Wetter. Man könnte meinen, es wäre langweilig, immerhin ist es ja nur Mist, doch dieser ist facettenreich und bunt. Das überträgt Schoop auf viele Bereiche im Leben – im literarischen oder philosophischen Sinne.

«Natur ist schön, aber auch gewalttätig und verletzend. Je nach dem was man verdrängt, kommt das eigene Weltbild zustande.»

«Wenn die Leute sagen, es wäre schade, dass ich nicht mehr male, dann erwidere ich, dass sie sich die Fotos genau ansehen sollen. Sie sind voller malerischer Elemente», so Schoop. «Es kommt aber auch auf den eigenen Vorrat im Kopf an», so der Künstler weiter, «wer nie eine
chinesische Tuschzeichnung gesehen hat, dem sagen gewisse Schieferplatten nichts.»
Als «Found-Art» bezeichnet Schoop diese Form der Fotografie. Schon Picasso hat diese Art der Kunst praktiziert. «Ich suche nicht – ich finde!» ist ein Zitat, das diese Vorgehensweise beschreibt. Dies umfasst in den Werken Schoops Blickwinkel aus dem Alltag, die im Vorübergehen meist nicht wahrgenommen werden: der absplitternde Lack an einem Geländer, Bruchstellen in Fensterscheiben, das Farbenspiel eines Bauzaunes, der Faltenwurf eines Wäschebergs oder eben die Poesie eines Miststocks. Wer sich einlassen möchte, auf einen Blick in Details, die «bis an die Grenzen der Zumutbarkeit von Fotographie gehen», wie Schoop selbst sagt, der kann dies im Rahmen der Ausstellung «Das Unspektakuläre im Fokus oder: die Poesie eines Miststocks – Fotografien von Jürg Schoop» bis 26. November im Naturmuseum Thurgau in Frauenfeld tun.

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