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Die Buchmacherin

Gottlieben – Im Bodmanhaus in Gottlieben ist die Literatur Zuhause. Hier finden Lesungen, Vorträge, Ausstellungen und Studienaufenthalte von Autoren statt. Und im Erdgeschoss des Hauses am Dorfplatz findet sich eine Buchbinderei. Hier bringt Sandra Merten die literarischen Gedanken in Form. Am Wochenende vom 27. bis 29. Oktober zeigt sie zusammen mit Künstlern, Handwerkern und Designern in der Ausstellung «Papier & was» die Vielfalt von Büchern.

Alt und neu in Buchform. (Bild: vf)

Es ist ruhig geworden im Herbst. Die Touristen sind verschwunden, das Licht fällt durch die bunten Blätter der Bäume, ein Rotkehlchen flattert von Ast zu Ast. Der Dorfplatz in Gottlieben liegt inmitten dieser Stille, am vorderen Ende das Bodmanhaus. Im Erdgeschoss davon befindet sich die Werkstatt von Sandra Merten, die man durch eine grosse, schwere Tür betritt. Hier stapeln sich zwischen verschiedenen bleiernen Maschinen, die zum Pressen, Heften, Perforieren und Prägen hier stehen, die unterschiedlichsten Materialien und vor allem eines: Bücher. In allen Grössen und Farben, aus allen Epochen und in den unterschiedlichen Stadien des Buchbindens. Von lose gestapelten Seiten bis hin zu fertig verleimten Bänden ist hier alles zu finden: Ein altes Kochbuch mit bunt gemusterten Innenseiten liegt neben der Abschlussarbeit einer Typografin, auf der in goldenen Lettern der Titel prangt.

 

Buchbinderin Sandra Merten in ihrer Werkstatt in Gottlieben. (Bild: vf)

Seit letztem Sommer hat Sandra Merten die Buchbinderei übernommen und arbeitet hier an unterschiedlichen Aufträgen. Diese kommen von Institutionen wie dem Staatsarchiv Thurgau oder der Kantonsbibliothek bis zu Privatpersonen, die ein Familienerbstück retten möchten, oder ein ganz spezielles Notizbuch brauchen.

Ein sagenhafter Zufall
Merten kam durch einen «sagenhaften Zufall» nach Gottlieben, wie sie erzählt. Nach Jahren in der IT-Branche wollte sie ein Jahr Auszeit in Schweden verbringen und dort in das Handwerk des Buchbindens hineinschnuppern. «Doch schon nach einem halben Jahr wusste ich, dass ich nie wieder etwas anderes machen werde.» Sie vollendete ihre Ausbildung zur Buchbinderin mit einer Zusatzqualifikation für historische Einbandtechniken und begab sich auf die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz. Und wie es der Zufall wollte, war Buchbinderin Kerstin Hennings, die seit dem Jahr 2000 die Werkstatt führte, gerade in diesem Moment daran sich ebenfalls neu zu orientieren und ein Suchhundezentrum zu eröffnen. So konnte Merten die Werkstatt samt Kundenstamm und einem Grossteil der Geräte übernehmen. «Manchmal ist man einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort», sagt die 42-Jährige.

Der Charakter eines Buches
Besonders faszinierend an ihrem Beruf findet die Buchbinderin, wenn Bücher mit Geschichte bei ihr landen. So kam einmal ein Schmetterlingsbuch zu ihr, dessen Seiten handcoloriert waren. Oder ein anderes Mal eine Sammlung von Heiligengeschichten, zwischen dessen Seiten Grashalme, Haare, Sand, Erde und Dreck lagen. «Das macht den Charakter eines Buches aus. Man fragt sich, wo es schon überall gelesen wurde.» Die Haptik, die Gestaltung und der Geruch des Papiers fasziniert die Buchbinderin. «Das kann ein E-Book nicht», so Merten.
Im Rahmen der Ausstellung «Papier & was» nächstes Wochenende zeigt die Buchbinderin einen Einblick in ihr vielseitiges Schaffen und in die Leidenschaft eines Berufes, der sie nicht mehr losgelassen hat.

Ausstellung: «Papier & was»

27. bis 29. Oktober mit Sonderausstellung: «Das andere Buch»

Freitag, 27. Oktober: Eröffnung um 18 Uhr durch Christina Egli, Leiterin Wissenschaft/Forschung/Sammlungen Napoleonmuseum, Ausstellung 19 bis 21 Uhr.

Samstag, 28. Oktober: Ausstellung 11 bis 18 Uhr
18 Uhr: Vortragstrilogie mit Tami Komai, Heike Schaefer und Ruth Batliner.

Sonntag, 29. Oktober: Ausstellung 11 bis 17 Uhr

Von der Herstellung bis zum Upcycling und vieles dazwischen: Handwerker und Künstler präsentieren sich im Bodmanhaus in Gottlieben. Zuschauen. Bei Lust mitmachen. Schönes erwerben. Essen, trinken, plaudern in der Besenbeiz.

Bodmanhaus, Dorfplatz 1, Gottlieben

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