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Peers, die ExpertInnen aus Erfahrung

Weinfelden – Mit einem weiteren Expertenabend wartet die Reihe «Kultur an der Psychiatrie Münsterlingen» auf, dieses Mal allerdings in Weinfelden. Gesprächsleiter Dr. Ralf Gebhardt, Leiter Ambulante Erwachsenenpsychiatrie, hat uns im Vorfeld mehr über den Anlass zum Thema «Die Rolle der Peers in der Psychiatrie» verraten.

Dr. Ralf Gebhardt. (Bild: zvg)

Herr Gebhardt, was genau ist mit Peers gemeint?
Mit dem Wort Peer werden üblicherweise Gleichaltrige oder Gleichrangige bezeichnet. In unserem Zusammenhang sind Peers erwachsene Personen mit Psychiatrieerfahrung, die mit ihrem eigenen Erfahrungswissen andere psychisch erkrankte Personen auf deren Genesungsweg unterstützen und als Rollenvorbild dienen können. Diese psychiatrieerfahrenen Peers werden deshalb auch «GenesungsbegleiterInnen» oder ExpertInnen aus Erfahrung genannt.

Dann ist die einzige Voraussetzung, die man mitbringen muss, eine psychische Krankheit überwunden zu haben?
Nein, nicht jede Person mit Psychiatrieerfahrung ist ein Peer. Als Peer werden üblicherweise nur solche Psychiatrie-Erfahrenen bezeichnet, die eine Peer-Ausbildung absolviert haben. Dabei geht es unter anderem darum, im Austausch mit den anderen Kursteilnehmenden ein über die individuelle Erfahrung hinausgehendes Wir-Wissen zu psychischen Problemen und deren Bewältigung zu entwickeln.

Wie kann man sich zum Peer ausbilden lassen?
Die Ausbildung heisst «EX-IN» (Experienced Involvement). Das Curriculum wurde im Rahmen eines europäischen Projektes seit 2005 entwickelt und wird in der Schweiz als Studiengang von Pro Mente Sana an wechselnden Standorten angeboten.

Wo haben sich Peers an der Psychiatrie Münsterlingen bewährt?
Wir haben im stationären Bereich in Münsterlingen einen festangestellten Peer auf der Station für Drogenentzug und Therapie, was sich sehr bewährt hat, und ganz andere Anknüpfungspunkte zu den Patientinnen und Patienten ermöglicht. In der Ambulanten Erwachsenenpsychiatrie haben wir Peers von der Selbsthilfe Thurgau eingekauft, die in unseren Räumlichkeiten ambulante Recovery-Gruppen leiten. Mit diesem Konstrukt kann auch psychiatriekritischen Personen ein hilfreiches Angebot gemacht werden.

Was dürfen Peers, was nicht?
Diese Frage ist überaus komplex, kontext- und fähigkeitsabhängig und zentrales Element sowohl der Selbstreflexion der Peers als auch der jeweiligen Anstellungsbedingungen. Was kann ich und was darf ich? Darf ich alles, was ich kann? Kann ich alles, was ich darf? Aufgabe der Peers ist es jedenfalls, sich mit ihrer Person und ihrem Erfahrungswissen aktiv in die psychiatrische Praxis einzubringen.

Bringt ein Peer-Diplom auch dem Peer selbst Vorteile?
Ja, es gibt immer mehr Institutionen und Einrichtungen, die Peers beschäftigen. Allerdings handelt es sich meist um Teilzeitstellen und eine Jobgarantie nach der EX-IN-Ausbildung gibt es nicht. Die Ausbildungskosten müssen auf eigenes Risiko von den Psychiatrie-Erfahrenen getragen werden. Gleichzeitig hat die Ausbildung selbst für viele Teilnehmende eine stabilisierende und gesundheitsfördernde Wirkung und stellt deshalb auch einen Wert für sich dar.

An wen richtet sich die Gesprächsrunde am 14. November?
Ein wesentlicher Teil der Peer-Ausbildung beschäftigt sich mit der Frage, wie der schmerzhaften Erfahrung von (psychischer) Krankheit Sinn gegeben werden kann. Peers sind deshalb auch ExpertInnen in der eigenen Sinnfindung. Unsere Gesprächsrunde richtet sich an ein breites Publikum, also an alle, die die Frage nach Sinn beschäftigt und die neugierig sind zu hören, was das sein könnte: «EigenSinnFindung».

Auf einen Blick
Um «Die Rolle der Peers in der Psychiatrie» geht es beim Kulturanlass in der Brauerei Weinfelden am Dienstag, 14. November, 19.30 Uhr.

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