Ein Pfarrer von Übersee
Lengwil – Timo Garthe ist Pfarrer der Evangelischen Kirchgemeinde Lengwil. Nach sechs Jahren Seelsorge in der Gemeinde muss er diesen Sommer zurück nach Deutschland. Bevor er hinter dem Schwäbischen Meer ein neues Zuhause fand, predigte er bereits in Übersee.
«Als ich mich vor sechs Jahren in Deutschland beurlauben liess, gab ich als Grund einen weiteren Dienst in Übersee an», sagt Timo Garthe lächelnd. Nach so langer Zeit in der Schweiz macht es dem Pfarrer zu schaffen, Lengwil zu verlassen. «Damals in Indonesien war es noch ein Ort irgendwo weit in Übersee, heute ist er in meinem Herzen», verrät der Pfarrer. Auch wenn er selbst nicht gut loslassen kann, sei es wichtig, dies zu tun, denn «nur leere Hände kann Gott füllen.»
Den ersten Teil seiner Tätigkeit als Pfarrer in Indonesien verbrachte er im Norden der Insel Sumatra. Vom Hinterland ging es nachher mitten in die zweitgrösste Metropolregion der Welt auf der Insel Java – Jabodetabek. Zusammen mit der Hauptstadt Jakarta kommt die Region auf sage und schreibe 34 Millionen Einwohner.
Mit Feingefühl auf Menschen zugehen
In dem streng islamischen Land, wo Christen eine Minderheit darstellen, war es für Garthe noch wichtiger mit Feingefühl auf die Menschen zuzugehen. «Den Menschen Mut zuzusprechen und ihnen mit Fingerspitzengefühl zu begegnen, ist eine Devise, die auch bei uns benötigt wird, auch wenn Christen nicht von Gewalt, Terror und Bombenanschlägen betroffen sind».
In Indonesien wie auch in Lengwil, fern von der Heimat, ist dem Pfarrer etwas noch bewusster geworden: «Gott ist nicht irgendwo am anderen Ufer geblieben, sondern er hat sich erfahrbar gemacht, wo wir auch sind.»
Verflixtes Schweizerdeutsch
Am Anfang konnte es sich Garthe nicht ausmalen, dass er sich in Lengwil einmal so heimisch fühlen würde. «Die Gegend hier ist nicht so exotisch wie Sumatra – aber fast.» Hier gäbe es zwar keine Tropenlandschaft, dafür Schluch- und Schwingfeste, Jodlermessen und Viehschauen.
Der Wiedereinstieg in die europäische Kultur hatte so seine Tücken – zumindest was das Schweizerdeutsch betrifft. «Wir waren frisch in Lengwil angekommen und wurden sogleich zu einem Birchermüesli eingeladen. Ich fragte nach, ob man das Bierchen auch nach dem Müsli trinken darf», erzählt der deutsche Pfarrer schmunzelnd. Am Anfang dachte er, dass das Bier im Müsli vielleicht eine Thurgauer Tradition ist. Er hat sich unterdessen an Kurioses gewöhnt, da in Indonesien viel Hund auf den Tisch kommt. Ein weiteres sprachliches Verwirrspiel ereignete sich beim ersten Besuch im Chörli: «Als wir aufgefordert wurden, nun <alli zeme> zu singen, verstand ich Alzheimer. Ein Lied mit diesem Titel fand ich doch sehr skurril.»
Eine der ersten «Amtshandlungen» in Lengwil war die Suche des Flughafens. «In Übersee bin ich regelmässig zwischen Jakarta, Manila, Bali und Bandung hin und her geflogen. Es war eine Erleichterung zwischen Oberhofen, Lengwil, Illighausen und Dettighofen ohne Flugzeug pendeln zu können», sagt Garthe mit einem Zwinker.
Verbindung im Glauben
Abgesehen von den urkomischen Situationen, die der Schweizerdialekt hervorbrachte, hatte der Pfarrer keine Probleme, den Draht zu den Mitmenschen zu finden. Christlicher Glaube habe etwas Grenzüberschreitendes. «Es war jeweils sehr spannend, während den Gesprächen den roten Faden der Gegenwart Gottes im Flickenteppich menschlicher Lebensgeschichten zu entdecken», so Garthe. In der Schweiz sei eine feinfühlige und wertschätzende Kommunikation normal. Bereits bei ersten Besuchen in Deutschland hätte er festgestellt, dass das feinfühlige und wertschätzende Zusammen – er nennt es Sensorische Rückkoppelung – im Nachbarland fehle.
Humor ist der Schlüssel
«Nicht nur im Leben braucht es Humor, auch bei einer Predigt. Diese bestücke ich zudem gerne mit lebendigen Bildern, Beispielen und eigenen Erlebnissen. Jesus selbst hat sehr viel in Bildern gesprochen», sagt Garthe. Er ist sich zudem sicher, dass auch Gott Humor hat. Lässt es die Zeit zu, zeichnet er Karikaturen und fügt Zeilen hinzu, die mitten aus dem Leben gegriffen sind. Unterdessen sind über hundert solcher Zeichnungen zusammengekommen.
Es ist noch nichts in Stein gemeisselt, aber voraussichtlich verschlägt es Garthe und seine Familie nach Marburg im Bundesland Hessen. «Es wird sicher kein Tag vergehen, an dem ich nicht nach den Bergen Ausschau halte.»