«Wir haben eine Verantwortung gegenüber unseren Gästen»
Kreuzlingen – Kostenlos und kontaktarm: Das diesjährige Kultling findet am 15. August unter freiem Himmel direkt auf der Seebühne statt. Ein Konzertabend voll punkiger Perversion und elektrischer Eskalation erwartet die Gäste, welche sich einen der begrenzten Eintritte ergattern können.

«Kultur ist auch ein Wirtschaftsfaktor», sind Präsident Valentin Huber (links) und Booker Raphael Hugentobler vom Kultling überzeugt. (Bild: Emil Keller)
«Nach dem Kultling ist vor dem Kultling», beschreibt Raphael Hugentobler die jährlichen Anstrengungen für die Konzertabende auf der Seebühne. Er ist für das sogenannte «Booking» der Freiluftkonzerte verantwortlich und steht mit Bands oder Agenturen in Kontakt. Als alternative Bühne neben dem «Fantastical» hat sich das «Kultling» die vergangenen sechs Jahre einen Namen unter Musikliebhabern gemacht.
Auch dieses Jahr liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren, um Besuchern der Seebühne ein kurliges und kultiges Musikwochenende zu bieten. «Bereits im Januar war das Konzertprogramm eigentlich unter Dach und Fach», erinnert sich Hugentobler. Doch dann kam die Pandemie und mit ihr der kulturelle Stillstand. Für den Verein hiess das erst mal Absagen von Sponsoren erhalten und Absagen an bereits gebuchte Bands erteilen. Erst als sich die ersten Lockerungen des sozialen Lebens abzeichneten, erglomm beim Kulturverein wieder die Idee eines Konzertabends. Der ausschlaggebende Funke dazu kam schlussendlich von einem Musiker selbst: «Gebt mir einen 230-Volt-Anschluss und ich spiele», soll der Bassist Marc Jenny von «The Robots» gesagt und damit den Startschuss für die neue Planung gegeben haben.
Fünf Quadratmeter pro Person
«Das hat uns gezeigt, dass wir gegenüber unseren Gästen, Sponsoren und nicht zuletzt den Musizierenden auch eine Verantwortung haben», beschreibt Valentin Huber die Motivation, welche hinter den Anstrengungen des ausschliesslich auf freiwilliger Basis organisierten Festivals steckt. Und so wurden erneut Helfer angeschrieben, Verträge unterzeichnet und Bier gebraut, um für den 15. August gerüstet zu sein. Doch auch heute, zwei Wochen vor Konzertbeginn, ist nicht hundertprozentig garantiert, dass der kostenlose Konzertabend stattfinden kann. «Wir nehmen es, wie es kommt», sagt der Vereinspräsident, der mit einem ausgetüftelten Schutzkonzept dennoch nichts dem Zufall überlassen möchte. Um 18 Uhr wird das 1500 Quadratmeter grosse Gelände, wo derzeit noch das See-Burgtheater spielt, eingezäunt und maximal 300 Leuten eintritt gewährt. Zudem müssen die Personalien für das «Contact-Tracing» hinterlegt werden. «Fünf Quadratmeter pro Person sollten genügen, um Abstand halten zu können», ist Huber von den Schutzmassnahmen überzeugt. Und da es vor der Bühne dennoch mal eng werde, würden neben dem gratis Eintritt auch gratis Masken verteilt. «Zudem installieren wir fürs Händewaschen flies-sendes Wasser und stellen überall Desinfektionsspray auf», listet er weitere Vorkehrungen gegen das Virus auf. In der Tribüne werden zudem dreiviertel der Sitze entfernt, um genug Abstand zu gewährleisten.
Computer am Drücker
All dies soll den Konzertgenuss ermöglichen und das Team ist sich sicher, dass trotz abgespecktem Programm ein fetter Abend bevorsteht. Eröffnet wird dieser von Altpunker Alvaro, der während seiner Zeit in London bereits mit Joe Strummer von The Clash Musik gemacht hat. «Danach übernehmen die Lokalmatadoren OGMH», so Vereinsagent Hugentobler. Diese seien sowieso schon fürs diesjährige Kultling vorgesehen gewesen und versprechen eine Explosion aus Garagenrock und Elektropop. Die Musiker von «The Robots» lassen sich zum Schluss in einer elektronischen Improvisation von einem zufälligen und live erstellten Algorithmus leiten.
«Bei uns gibt es Musik aus der Region zu hören, die dennoch nicht alltäglich ist», freut sich Hugentobler sichtlich.
Dass das «Fantastical» als Besuchermagnet wegfällt, bereitet dem Verein kein Kopfzerbrechen. «Im Gegenteil, ich bin froh, dass wir dieses Jahr keinen Durchgangsverkehr haben», so Huber. Sollte das Wetter mitspielen, rechnet der Vereinspräsident damit, das Besuchermaximum auszureizen. Frühes erscheinen sei deshalb von Vorteil: «Am meisten Sorgen macht es mir, Leute wieder nach Hause schicken zu müssen.»
Emil Keller