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Liebe in Vitrinen

Kreuzlingen - Das Puppenmuseum auf Schloss Girsberg hat seine Ausstellung um ein Drittel erweitert.

Das Puppenmuesum auf Schloss Girsberg hat seine Ausstellungsfläche vergrössert. (Bild: Inka Grabowsky)

«Es war eine wahnsinnige Arbeit, aber das Resultat ist doch sehr schön geworden.»  Kurt Schmid-Andrist zeigt die neue Abteilung des Museums im Souterrain des Haupthauses nicht ohne Stolz. Er und seine Frau Jolanda geben seit einigen Wochen der Spielzeugsammlung von Marguerite Stohler-Daeniker ein Zuhause. Die Zürcherin, die vor zwei Jahren starb, hatte testamentarisch bestimmt, dass ihre über Jahrzehnte zusammengetragenen Schätze öffentlich zugänglich sein sollen. «Die Erben suchten händeringend ein Museum. Niemand wollte die Sammlung haben. Uns aber hat beeindruckt, wie Trudi Daeniker beharrlich versuchte, den letzten Wunsch ihrer Schwester zu erfüllen.»

Auf dem Girsberg gibt es eines der ältesten Puppenmuseen der Schweiz. Schon in den siebziger Jahren legten Jolanda Schmid-Andrist, Jeannine Le Brun und Alexa, Baronin von Koenig-Warthausen ihre jeweiligen Sammlungen zusammen. Dementsprechend waren Schmid-Andrists durchaus logische Ansprechpartner für die Erbin. Doch auch sie mussten überlegen, wie sie die Herausforderung bewältigen konnten. «Es waren diverse Kisten, die wir nach und nach zu uns geholt haben und deren Inhalt wir sorgfältig gesichtet und katalogisiert haben.» Die vielen Exponate waren zuvor in einer Wohnung aufbewahrt worden. Vieles musste zunächst restauriert werden, um museumsreif zu werden. «Glücklicherweise hatte meine Frau vor Jahrzehnten eine alte Puppenklinik aufgekauft. Deshalb verfügten wir über das nötige Material.» Über ein Jahr lang funktionierten sie zwei Räume im Schloss zu einer Werkstatt um. «Wir haben bestimmt kiloweise Staub geschluckt», lacht Schmid-Andrist. Puppenglieder wurden befestigt, Perücken und Kleider gerichtet oder ausgetauscht. Nun füllen die Schaustücke zwölf grosse Vitrinen, die Schmid-Andrists extra haben anfertigen lassen und die von Trudi Daeniker mitfinanziert wurden.

Zeugnisse des Volksglaubens

Einige Glasschränke widmen sich einem nur leicht verwandten Thema. «Zum gleichen Zeitpunkt, als uns die Puppensammlung angeboten wurde, wandte sich mit Peter Franzl ein weiterer Erbe an uns. Er musste ein Privatmuseum für religiöse Wachsgegenstände auflösen. Ich hatte bereits selbst einige Votivtafeln und stimmte deshalb zu.» Zu den hundert Jahre alten Spielzeugpuppen gesellen sich deshalb nun Haarkunst, Wachstafeln und Kerzen sowie mechanisches Spielzeug, das der Mann von Marguerite Stohler-Daeniker gesammelt hatte. Kurt Schmid Andrist hat die Automaten restauriert. Nun singt die Nachtigall wieder, wenn man die Feder aufzieht. In der Zwergenwerkstatt belüftet ein Blasebalg die Esse. Und ein wächserner Jesus in seiner Krippe zwinkert mit den Augen.

Pädagogisch wertvoll

Spielzeug habe immer auch eine Erziehungsfunktion gehabt, sagt der Hausherr. «In der Mode, den Haushaltsgegenstände oder Puppenküchen spiegeln sich Werte, die die Gesellschaft auf die Kinder übertragen wollte. Dieses Wissen wollen wir bewahren.» Ausserdem lasse sich am Spielzeug der Alltag der Epoche ablesen: «Wir zeigen hier ein Modell einer Apotheke, das wohl um 1880 gebaut wurde, und mit dem bis 1940 gespielt wurde. Faszinierend sind Medikamente wie Pervitin. Das ist ein Amphetamin, mit dem im zweiten Weltkrieg die deutschen Soldaten aufgeputscht wurden. Damals war es offenkundig so gängig, dass es zum Kinderspielzeug dazu gehörte.» Schmid-Andrist hat der Apotheke ein Arzneimittelbuch aus dem Jahr 1604 zur Seite gestellt. «Gegen die Pestilenz sollte man Perlen und Korallen zermahlen, steht darin.» Weniger kostspielig, aber mutmasslich ähnlich wirkungsvoll sind die geweihten Schabmadonnen in der Volksglauben-Abteilung, von denen man etwas Material abrieb und Kranken ins Essen mischte.

«Es stecken so viele Emotionen in all den Ausstellungsstücken. Sie sind unglaublich liebevoll gestaltet. Das mussten wir würdigen», begründet Kurt Schmid-Andrist das Engagement der Familie. «In den alten Mauern von Schloss Girsberg ist wohl etwas vom Unternehmergeist unserer Vorbesitzer, der Zeppelins, zurückgeblieben und hat auf uns abgefärbt. Wir kämpfen leidenschaftlich für den Erhalt von Kulturgut.» Die Sammlungen sind jeden ersten Sonntag im Monat von 15 bis 17 Uhr zugänglich.

 

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