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Damals, als auf den Strassen noch Panzer rollten

Ermatingen – Eine weitere einst für militärische Zwecke genutzte Anlage soll vom Bund an die Bürgergemeinde Ermatingen überschrieben werden. Der Verein Festungsgürtel übernimmt die Unterhaltsarbeiten.

Urs Ehrbar und Max Gutjahr (rechts), welcher auf der Karte zeigt, wo sich das Gebäude befindet. (Bild: Sandro Zoller)

Von einst 80 Anlagen des Festungsgürtel Kreuzlingen sind noch 65 vorhanden. Nun soll ein weiteres Gebäude dazukommen. Noch ist es in der Hand des Bundes. Das Umnutzungsgesuch der Anlage zu militärhistorischen Museumszwecken ist bis 28. Januar öffentlich aufgelegt. Danach wird es der Bürgergemeinde Ermatingen überschrieben. «Deshalb haben wir bis jetzt keinen Schlüssel für das Schloss an der Tür des Hindernismaterial-Magazins», sagt Urs Ehrbar, Vizepräsident des Verein Festungsgürtel Kreuzlingen. Er ist hocherfreut, dass sie nun auch dieses geschichtlich alles andere als uninteressante Häuschen unterhalten und in Führungen ansteuern können. Es ist noch vollständig und original ausgerüstet. Und das ist tatsächlich etwas Aussergewöhnliches. Denn nur sage und schreibe zwei Bunker haben noch ihr Original-Inventar. Diese befinden sich in Bottighofen und Lengwil. Beide Gemeinden haben sich einst gegen die übereilte Räumung der Anlagen gewehrt.

Die grünen Kästen markieren Bunker, die grünen und roten Striche waren Verteidigungslinien. (Bild: zvg)

Aufhalten von herandonnernden Panzern
Im Falle eines Angriffs der Nationalsozialisten und ihrer Armee im Zweiten Weltkrieg hätte der Festungsgürtel der Grenzbrigade 7 dazu gedient, den Angriff zu verzögern, um Zeit für den Ausbau der Hauptverteidigungsstellung der Armee an der Limmat und später im Réduit zu gewinnen. Dazu zählen vor allem die Panzerbarrikaden auf allen Hauptstrassen. Noch heute sind auf der Wäldistrasse von Tägerwilen nach Wäldi die Deckel der Schächte zu erkennen, in die schwere Din-Träger eingesetzt worden wären, welche die Panzer gestoppt hätten. Nicht weit davon entfernt liegt das Hindernismaterial – Magazin. Darin wurde alles gelagert, was für das Erstellen der Panzersperren benötigt wurde. «Hätten Panzer diese erste Panzerbarrikade dennoch überwunden, wäre die Strasse circa 300 Meter weiter südlich durch ein Sprengobjekt mit mehreren hundert Kilo Sprengstoff unpassierbar gemacht worden», ergänzt Max Gutjahr. Er gehört zum sogenannten «harten Kern» des 750 Mitglieder starken Vereins. Dieser umfasst 40 Personen und übernimmt den grössten Teil der «Fronarbeit». Zudem ist Gutjahr einer von 17 Göttis im Verein, von denen jeder die Verantwortung für den Unterhalt eines Bunkers trägt. Dabei handelt es sich um ein teures Hobby, stunden- und geldmässig. Gleich um die Ecke «betreut» er bereits einen Bunker. Nun erhält er mit dem Zuzügler Nachschub: «Da im Hindernismaterial – Magazin noch alle Din Träger und Transportmittel stehen, muss ich mich nicht um die Beschaffung des Inventars kümmern. Dennoch liegt Arbeit an, wie etwa die Entfernung von Moos, Patina und Rost sowie die Erneuerung der Tür.»

Das Bild hat die Schweizer Luftwaffe 1940 aufgenommen und zeigt den Wald rund um das Hindernismaterial-Magazin. (Bild: zvg)

Materialbeschaffung – eine Geduldsprobe
Gutjahr ist froh, dass das Material noch da ist. Denn in diesem Fall wäre dessen Beschaffung unmöglich gewesen. Ansonsten kann bei der Zentralstelle Historisches Armeematerial (ZSHAM) mehrmals im Jahr Material bezogen werden. Dafür bewerben sich stets alle 40 zertifizierten Schweizer Bunker-Vereine. Deshalb brauche es eine gute Portion Nerven. Mit Geduld komme man aber immer zu seinem gewünschten Material. Zudem helfe man sich auch untereinander. Was man nirgends einsetzen könne, werde anderen Vereinen zur Verfügung gestellt, ergänzt Ehrbar.

Der Schweiss und die etlichen geopferten Stunden zahlen sich aber aus. Jede Woche führt der Verein eine 1.5- bis zweistündige Tour für Schulklassen, Vereine und Betriebe durch. Nicht nur die Führungen werden rege gebucht, auch der Tag der offenen Tür, im vergangenen August, war auf der ganzen Linie ein Erfolg. 800 Interessierte von Jung bis Alt schauten sich die Anlagen aus nächster Nähe an, was teilweise zu Warteschlangen führte, erzählt Ehrbar: «Dieses Interesse des Publikums an den Verteidigungsanlagen des Festungsgürtels ist es, was uns für unser Engagement im Verein motiviert.»

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2 thoughts on “Damals, als auf den Strassen noch Panzer rollten

  1. Josef Mattle

    Sehr geehrter Herr Zoller
    Darf ich Ihren Artikel im INFO-Bulletin des Vereins Festungsgürtel Kreuzlingen 2021-01 unter Ihrem Namen für unsere Mitglieder veröffentlichen/abdrucken?
    Danke für eine kurze Antwort.
    Josef Mattle
    Redaktor INFO-Bulletin (erscheint 3x im Jahr)

    Antworten

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