Durchhaltewille und Kreativität sind gefragter denn je
Kreuzlingen – Die Corona-Einschränkungen machen es auch den Kreuzlinger Betrieben alles andere als leicht. Ideenreichtum, Kampfeswille und eine treue Kundschaft helfen, diese unsicheren Zeiten durchzustehen.

Urban Ruckstuhl, Geschäftsleitungsmitglied der Bodan AG zeigt vor, wie bei ihnen Bestellungen abgeholt werden können. (Bild: Sandro Zoller)
Corona, Corona, Corona. Massnahmen, weitere Einschränkungen, Lockdown. Die Menschen sind langsam aber sicher müde und haben dessen Druck auf das ganze Leben satt. Diese schwere Last auf den Schultern spüren aber auch Betriebe, die Gastronomie und Kulturszene. Sie kämpfen mit geschlossenen Türen nicht nur um das eigene Überleben, sondern tragen auch die Verantwortung über die Mitarbeiter, welche um ihre Jobs fürchten. Ganz engmaschig sind die Corona-Richtlinien aber nicht. Wer also weiterhin für seine Kunden da sein will, findet etwa mit Take-Away, im Onlinebereich oder mit einem Abholservice eine Überbrückungsmöglichkeit. Zudem kann diese Situation eine Chance sein, um aufzuzeigen, dass man sich anpassen kann und mit der Zeit geht. Läden, die weiterhin offen bleiben dürfen, können jetzt mit ihrem Service punkten und neue Kunden generieren.
Cordon bleus zum Abholen
Seit dem 14. Dezember ist das Restaurant Grödeli geschlossen. Am 8. Januar startete der Gastgeber, Koch und Wirt, Roger Haberthür, den Take-away Service: «Es werden all unsere Cordon bleus bestellt und ausprobiert. Der Klassiker ist aber immer noch die Variante mit Kalb, Schinken und Bergkäse.» Jeweils abends von Freitag bis Sonntag, zwischen 17 und 20 Uhr, können die Speisen bestellt werden. Zusammen mit einer Küchenhilfe bereitet Haberthür alles vor. Die restliche Zeit muss er auch sie auf Kurzarbeit setzen, so wie bereits seine sieben Angestellten. «Die Stimmung intern ist verhalten. Meine Mitarbeiter würden gerne wieder arbeiten», sagt der Gastwirt. Er sei froh, dass alle an Bord sind, wenn er wieder aufmachen könne.
Die erzwungene Freizeit nutze er für die Jahresrechnungen und allfällige Büroarbeiten. Zudem überarbeite er die Speise- und Weinkarte und gestalte sie neu. «Ich musste mir auch ein neues Kücheninventar anschaffe.» Und wie sieht es mit der Unterstützung vom Kanton aus? «Nebst der Kurzarbeit für meine Angestellten, erhalte ich von der Ausgleichskasse ein kleines Taschengeld», sagt Haberthür. Die Ungewissheit mache ihm zu schaffen: «Man weiss nie was kommen wird, wann und wie wir wieder starten dürfen.» Das Take-away sei zwar ein gutes Zusatzgeld, entspreche aber bei weitem nicht dem Umsatz eines normalen Restaurantbetriebs. Er hoffe auf einen super Frühling und Sommer, damit die Gastronomie wieder genossvolle Momente anbieten könne.

Christian Hunziker, Leiter des Seemuseums, während einer Aufnahme für das Onlinematerial. (Bild: zvg)
Kultur direkt ins Wohnzimmer
Während Restaurants mit einem Take-away Service Kontakt mit den Gästen pflegen können, fällt dieser bei Museen komplett weg. Ein kulturelles Angebot kann es dennoch geben. Das zeigt auch das Seemuseum. Auf www.jura.seemuseum.ch kann ein virtueller Tauchgang zum Dampfschiff Jura gestartet und so die spannende Geschichte dieses einzigartigen Süsswasserwracks ergründet werden. «Weitere digitale Köder werfen wir in den kommenden Wochen aus. Kleine Filmsequenzen zu einzelnen Objekten aus unserer Ausstellung sind in Produktion», erklärt Museumsleiter Christian Hunziker. Nebst dem Aufbau eines grösseren Onlineangebots, nutze er und sein Team die Zeit, um neue Angebote und Ausstellungen zu entwickeln. Aktuell sei der Themenkoffer «Seeschulzimmer», für das Lernen unter freiem Himmel, in der Überarbeitung. Die Dauerausstellung wird bald 30. Deshalb sei jetzt ein guter Zeitpunkt gekommen, sich Gedanken über eine Erneuerung zu machen.
«Die aktuelle Lage hat uns vor Augen geführt, wie stark die Bodenseeregion über die Ländergrenzen hinweg verflochten und dies alles andere als selbstverständlich ist», sagt Hunziker. Deshalb werde das überregionale Gemeinschaftsgefühl auch in zukünftigen Ausstellungen ein Thema sein. Aktuell freue es ihn, dass sie die Sonderausstellung «BodenSchätzeWerte» bis zum 18. April verlängern können. Für den 5. März ist eine Überblicksführung durch das Sanierungsprojekt Deponie Mellgenten geplant. Am 24. März soll ein öffentlicher Vortrag zum Thema «Rohstoffe in Entwicklungsländerrn» und am 28. März ein Familiensonntag mit dem Titel «Über Reste&Receycling» stattfinden. Momentan müsse auf die 40 ehrenamtlichen Mitarbeiter aber leider verzichtet werden. «Wir freuen uns jedoch auf die Zeit, wenn das generationenübergreifende Zusammensein im Seemuseum wieder möglich ist.»
Ein Kaffee to go gibts obendrauf
In der Druckerei rattern weiterhin die Maschinen und auch der Kundenschalter ist offen, so Urban Ruckstuhl, Geschäftsleitungsmitglied der Bodan AG. Manche Mitarbeitende seien im Home-Office, so wie es die Regeln bestimmen. Die Buchhandlung und die Papeterie sind weiterhin telefonisch oder per Mail erreichbar. «Sieben Tage die Woche und rund um die Uhr stehen unsere beiden Online-Shops den Kunden zur Verfügung», erklärt Ruckstuhl. Das Angebot da sei sowieso noch umfassender als vor Ort. Es könne zwischen einer Heimlieferung und Abholung vor Ort gewählt werden. «Für den Abholer haben wir eine Abholtheke installiert. Als Dankeschön erhalten die Kunden zusätzlich einen Kaffee to go.» Und was wird gemacht, wenn man sich zum Beispiel ein bestelltes Geschenk anders vorgestellt hat? An der Theke eine Alternative anzuschauen sei leider nicht möglich, denn auf behördliche Anweisung sei ja ein regulärer Betrieb nicht erlaubt. Man könne sich aber selbstverständlich nochmals telefonisch beraten lassen oder auf der Webseite stöbern. «Im Einzelfall sind wir immer auch kulant, wenn ein Produkt ausgetauscht werden soll», sagt das Geschäftsleitungsmitglied.
Bereits letzten Oktober hat sich die Bodan AG antizyklisch verhalten und in eine Offset-Druckmaschine im Format A3 und in eine Digitaldruckmaschine investiert. Derzeit werde die Branchensoftware in der Papeterie und Buchhandlung ersetzt und produktionsschwächere Zeiten für Maschinenwartungen genutzt. Froh ist Ruckstuhl auch darüber, dass keine Kündigungen ausgesprochen werden mussten: «Bis jetzt arbeiten noch alle Angestellten bei uns und wegen dem Lockdown wird es auch keine Kündigungen geben.» Einzelne Mitarbeitende befänden sich aber in Kurzarbeit.
Neue Kunden erhalten
«Der grosse Teil der Kundschaft sind Stammkunden», sagt Rolf Bolliger, Mitinhaber der Rolf und Jörg Bolliger Schlemmerzentrum AG. Aber bereits nach der ersten Grenzschliessung vergangenen Frühling hätten sie neue Kunden begrüssen können. «Einige sehen wir seitdem regelmässig.» Bei ihnen bekomme man nicht nur hauptsächlich regionale Produkte, sondern erhalte mit dem Einkauf Arbeitsplätze. Nebst den Fleisch- und Wurstspezialitäten schätze die Kundschaft die Pro Bons und die Möglichkeit, mit der Thurgauer Geschenkkarte zu bezahlen. Das Take-away werde noch reger in Anspruch genommen als vorher, so Bolliger: «Wir bieten zwar täglich ein Mittagsmenü an, die Renner sind aber die beliebten Hamburger und Schnitzelbrote.»
Die Zeit, in der Globalisierung vor allem eine wundersame Vermehrung von Freiheit, Mobilität, Absatzmärkten und Arbeitskräften bedeutete, ist jetzt definitiv vorbei.