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Eine Lady wird wieder aufgebrezelt

Kreuzlingen – In der Bootswerft Heinrich AG wird die «Petrel», eine Art Deco-Motoryacht aus dem Jahr 1930, einem Refit unterzogen. Die Arbeiten dauern noch mindestens bis Herbst 2022 an.

Peter Minder neben der Petrel in der Lagerhalle. (Bild: Sandro Zoller)

Der Dawn Bridge Deck Cruiser «Petrel» erblickte 1930, in der goldenen Zeit des Holz-Bootsbaus, das Licht der Welt. Als das Schiff die Werft der Dawn Boat & Ship Corporation an der US-Ostküste verliess, hiess es noch Bettis. «Dieser klassische und wunderschöne Cruiser ist einer der letzten noch original erhaltenen Dawn Cruiser aus einer Epoche des nahezu perfekten Holz-Bootsbaus. Gerade auch deshalb ist das Schiff historisch gesehen sehr wertvoll», erklärt Moritz-Frederik Müller. Er ist bei der Bootswerft Heinrich AG für das Refit-Projekt der über 90-jährigen amerikanischen Dame verantwortlich.

Über den grossen Teich an den Bodensee
Der erste Abschnitt der Reise in die Schweiz führte die betagte Lady aus eigener Kraft durch. Am Verladeplatz wurde das Schiff auf einen eigens für sie massgeschneiderten «Cradle», einen hölzernen Transportbock, gesetzt. Damit überquerte sie als Deckfracht den Atlantik bis nach Zeebrugge an der Küste Belgiens. Den Landweg brachte die Petrel schlussendlich mit einem begleiteten Spezialfahrzeug hinter sich.

Auch wenn sie über die Jahre gut gepflegt wurde, nach der ersten Inspektion war ersichtlich, dass auch an dieser Lady der Zahn der Zeit nagte. «Es war rasch klar, dass die Restauration auf ein Total-Refit hinauslaufen würde», so Müller. Zum Glück hätten die Eigner, ein Schweizer Ehepaar das unter anderem in den USA lebt, diese Auffassung bekräftigt. Von Anfang an sei das Ziel gewesen, die «hölzerne» Dame für eine Reise durch Europa fit zu machen, ohne den klassischen Charakter der Petrel auszuradieren. «Die Herausforderung bestand also darin, ein Gleichgewicht zwischen Konservierung und Modernisierung zu finden.»

Arbeiten entsprachen dem Plan
«Die bis jetzt ausgeführten Arbeiten entsprachen im Grossen und Ganzen dem Plan, welchen wir anhand des Checks, beim Eintreffen der Petrel, erstellten», sagt Müller. Das Ersetzen der Struktur sei aber umfangreicher ausgefallen. Zudem sei der Austausch des Hauptschotts nicht vorgesehen gewesen. Anstelle der beiden Achtzylinder-Benzinmotoren von Chrysler mit jeweils 141 PS, stossen nun zwei Torqeedo 100 Kilowatt E-Motoren, mit der Unterstützung von zwei Hochvoltgeneratoren mit jeweils 20 Kilowatt für die Stromversorgung und als Extender für lange Überfahrten, das rund 14.5 Meter lange Gefährt über das Wasser. Die Petrel mit solch einem modernen Antrieb zu versehen, sei mutig. Müller gehe aber davon aus, dass auch die Erbauer diese Variante genutzt hätten, wäre sie in den 30er Jahren bereits erhältlich gewesen.

Die ganze 110 Volt US-Standard-Installation wurde ausgebaut und wird ersetzt. Mit Ausnahme des Diesels für die Generatoren wird die Yacht mit nur einer Energiequelle auskommen müssen – i3 Hochvolt-Akkus. Die Moderne hat auch Einzug im Bereich des Komforts gehalten. Auf dem schwimmenden Heim sind eine Waschmaschine, eine Heizung und eine Klimaanlage geplant. Die Eigner hätten zudem Solarpanels für auf das Dach gewünscht, um das Sonnenlicht nicht nur zur Aufhellung der Stimmung zu nutzen, sondern ebenfalls zur Stromerzeugung. Damit das Schiff in gewissen Situationen leichter manövriert werden kann, soll es einen klappbaren Aussen-Steuerstand erhalten. «Damit kann die Gesamthöhe weiterhin möglichst gering gehalten werden», erklärt Peter Minder, CEO der Heinrichwerft: «Das ist etwa bei Brückendurchfahrten auf Kanälen notwendig.» Dies sei weiterhin «original» in Bezug auf die anderen gebauten Dawn-Cruiser seiner Zeit. Diese Art von Aussen-Steuerstand sei auch beim Schwesterschiff vorzufinden. Und weil es ja auch um das Konservieren gehe, wurde zum Beispiel so gut es ging der Rumpf nur saniert. Das Holz ist noch dasselbe von 1930.

Decks und Dächer aus einer Komposit-Bauweise
Wegen eines weiteren grossen Projekts, mussten seit vergangenem Herbst die Arbeiten vorübergehend stillgelegt werden. «Im Moment befinden wir uns mit dem Kunden und dessen Frau im intensiven Gespräch über die optimale Innengestaltung des Vorschiffs», sagt Minder. Parallel dazu würden in dessen Kompositabteilung die neuen Decks und Dächer der Aufbauten in Komposit-Bauweise hergestellt werden. Über CNC gefräste Mallen, Schablonen, die zum Bau eines Schiffsrumpfes verwendet werden, stellen die Spezialisten die Kompositplatten in der richtigen Wölbung her. Diese würden dann später auf das bereits neu aufgebaute Gebälk aufgetragen werden.

Aufgrund der geplanten technischen Installationen und zusätzlichen komfortfördernden Massnahmen geriete das Gewicht des Bootes mit herkömmlichen Bauweisen in einen kritischen Bereich. Durch die Verwendung ultraleichter High-Tech Materialien könne eine grosse Gewichtseinsparung erzielt werden, so Minder: «Das ist insbesondere dann wichtig, wenn das Gewicht weit oberhalb der Wasserlinie angesiedelt ist und sich deshalb negativ auf die Kippstabilität auswirken kann.» Die Petrel wird Anfang März wieder in die Werkstatt überführt. Dann fange man mit der Umsetzung der zwischenzeitlich durchgeführten Fein-Planungen an. Frühstens im Herbst 2022 könne mit der ersten Testfahrt auf dem Bodensee gerechnet werden.

Für Minder sei das Refit dieser Lady zwar eine grosse Herausforderung aber gleichzeitig natürlich auch eine Ehre: «Das Projekt hat eine über den Bodensee hinausgehende Signalwirkung und erzielte eine beachtliche Aufmerksamkeit.»

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