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Abenteuerliche Wege in den Kunstraum

Kreuzlingen – Eine Videoinstallation aus Singapur und Aquarelle aus Belgrad bringen die weite Welt nach Kreuzlingen. Lika Nüssli und Monica Ursina Jäger sind im Kunstraum zu sehen.

Stipendiumgewinnerin Lika Nüssli malt politisch, feministisch und mit schwarzem Humor. (Bild: Inka Grabwosky)

Eigentlich hatte die Künstlerin Lika Nüssli das grosse Los gezogen. Sie gewann vergangenes Jahr ein Stipendium der Kulturstiftung Thurgau und durfte deshalb sechs Monate lang eine Wohnung und ein Atelier in Belgrad nutzen. Der Lohn reicht für den Lebensunterhalt, man hat Platz und viel Zeit für sich, um kreativ werden zu können. Doch dann kam die Corona-Pandemie und sorgte für Eindrücke besonderer Art. «In Serbien gab es eine strikte Ausgangssperre», erzählt Nüssli. «Alle Schweizer waren aufgerufen, das Land zu verlassen. Aber ich wollte mich der Situation aussetzen und aus der Erfahrung schöpfen». Erfahren hat sie unter anderem Ohnmachtsgefühle und Isolation. «Ich sehe nun die Probleme in der Schweiz mit anderen Augen».

Improvisationskünstlerin
Ihre Fähigkeit zur Improvisation brauchte Lika Nüssli bei der Rückreise. Die Zugverbindung von Belgrad war pandemiebedingt gestrichen worden. Also setze sie sich auf ihr Velo und fuhr innerhalb von zehn Tagen nach Wien, von wo aus sie die Bahn nutzen konnte. Ihre Bilder, ihr Computer und ihre Koffer sollten von einem Fahrer nach der Grenzöffnung nachgebracht werden. Doch der erste Chauffeur fiel wegen einer Covid-Erkrankung aus, und der zweite versäumte die gegebenen Termine. «Ich hatte schon fast aufgegeben und befürchtet, alles loslassen zu müssen», erzählt Nüssli. Erst mit grosser Verspätung erreichten die Werke dann doch noch die Schweiz. So kommen nun die Besucher des Kunstraums in den Genuss der Ausstellung unter dem Motto «La vie est un long fleuve». Die Bilder zeigten wie ein Tagebuch, wie das Leben der Malerin während ihres Stipendiums abgelaufen sei, meint Kurator Richard Tisserand.

Kreativität unter Pandemie-Bedingungen
Solange sie im grossen Atelier arbeiten konnte, schuf Nüssli grossformatige Werke. Als sie wegen des harten Lockdowns für sieben Wochen auf ihre Wohnung beschränkt war, malte sie kleine Aquarelle – farbenfroh und mitunter als Reaktion auf die politische Situation. Sie komme aus dem narrativen Bereich, aus der Illustration und dem Comiczeichnen, erklärt sie. «Ich suche im Zwischenbereich, wie abstrakt ich sein kann. Ich will Assoziationsanstösse geben, also bewusst vieles offen lassen». Bei einigen Aquarellen sieht man die Verwandtschaft zum Cartoon deutlich. «Sponsored by EU» steht da auf einem Bild mit protzigen Autos, in denen korrupte Funktionäre durch die Stadt fahren. Man dürfe durchaus schmunzeln, so Nüssli. «Schwarzer Humor ist mir wichtig».

Videoinstallation im Tiefparterre
Ebenfalls bei einem Studienaufenthalt im Ausland entstand die Videoinstallation, die neu im Tiefparterre zu sehen ist. Monica Ursina Jäger reflektiert darin über den gemeinsam von Mensch, Tier und Pflanze genutzten Lebensraum. Sie hat einige Monate in Singapur recherchiert, was Grossstadtdschungel und tropischer Urwald gemein haben. Ein Erzähler referiert aus dem Off, wie der Wald funktioniert, der die Hochhäuser umgibt. Eine Singapur-Chinesin beschreibt Kindheitserlebnisse in der Wildnis. «Forest Tales and Emerald Fictions» lautet der Titel der 20-minütigen Arbeit. Es ist hilfreich, Englisch zu verstehen, um die Installation ganz schätzen zu können. «Das Tiefparterre ist perfekt, um den Film zu zeigen», sagt die Künstlerin. «Der Abstieg in den Untergrund betont, dass man in eine andere Welt eintaucht. Die Architektur tritt völlig zurück, die Dimensionen des Raums sind im Dunkeln kaum zu erkennen. Man kann sich also vollkommen auf den Film konzentrieren. Das war an anderen Orten, an denen ich den Film zeigen durfte, nicht so».

Die gleitende Vernissage zu Lika Nüssli und Monica Ursina Jäger im Kunstraum beginnt heute, 9. April, 19 Uhr. Die Ausstellungen sind bis 30. Mai unter den üblichen Corona-Schutzbedingungen geöffnet.

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