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«Andere Lösungen sind möglich»

Lengwil – Das «Komitee Kirchturm ohne 5G» Illighausen» lud Interessierte zu einem Infoabend in den Ekkharthof ein. Redner waren Dr Stefan Zbornik vom Verein «strahlungsfreies Kreuzlingen» und der Biochemiker Professor Volker Ullrich.

Professor Volker Ullrich (links) und Dr. Stefan Zbornik. (Bild: Sandro Zoller)

«Der Informationsfluss war nur stockend und aufgrund Corona ist das Ganze unbefriedigend verlaufen», sagte Ueli Liniger als Eröffnungsworte vergangenen Dienstagabend im Ekkharthof. Das «Komitee Kirchturm ohne 5G» lud mit dem Ziel ein, genügend Unterschriften für eine ausserordentliche Versammlung der evangelischen Kirchgemeinde zusammenzubringen. Nebst Liniger sind Tanja Bolzli und Brigitta Vogel die treibenden Kräfte hinter dem Komitee. «Zuerst dachten wir, dass eine 5G Antenne nur für Illighausen auf dem Kirchturm gebaut werden soll und nicht für die ganze Region. Also sind wir mit der Idee eines runden Tisches an den Kirchenrat gelangt. Dessen Antwort war nein», erklärte Liniger sichtlich enttäuscht. Auch wenn unterdessen der Vertrag mit Swisscom so gut wie unter Dach und Fach sei, wollen sie sich nicht geschlagen geben. Sie würden weiter für eine Lösung kämpfen, die für Mensch, Tier und Natur verträglicher sei. «Wir hätten auch eine Kleinzelle gebaut, aber Anwohnern reicht das nicht, und die Swisscom möchte aus Kostengründen nur eine Grossanlage hinstellen», sagte Kirchenpräsidentin Marianne Schleusser verteidigend.

Nicht greifbar
Um den Anwesenden das Thema Mobilfunkantennen und dessen Auswirkungen auf den Organismus näher zu bringen, lud das Komitee als Gastreferent Dr. Stefan Zbornik, vom Verein «strahlungsfreies Kreuzlingen», ein. «Elektromagnetische Felder (EMF) sind nicht sicht- und hörbar, geruchlos und werden in der Telekommunikation, für medizinische Therapien, Radar, zur Erwärmung und als Waffe eingesetzt», listete Zbornik auf. Aber nur weil es nicht «greifbar» sei, könne man es nicht als unbedenklich einstufen. Jeder Mensch reagiere anders und nur ein kleiner Teil sei hypersensibel gegenüber EMF. Bekannte gesundheitliche Risiken seien unter anderem Schlafstörungen, Herz-Kreislaufprobleme, Dauerstress, Depression, Magen-/Darmbeschwerden sowie die Schädigung des Erbgutes und Tumore.

Je näher jemand an einem Sendemasten wohne, desto mehr Probleme könnten auftreten. Dennoch gäbe es Ausnahmen, so Zbornik: «Es gibt dafür eine einfache Erklärung. Die Antenne hat eine Sendekeule, die vor allem in eine Richtung fest strahlt. Deshalb ist es möglich, dass man sich seitlich davon in einem nicht oder weniger bestrahlten Bereich aufhält.»

Studien zeigen Schädigung auf
Studien aus der Schweiz, Deutschland, Frankreich und weiteren Ländern haben ernüchternde Resultate zu Tage gefördert. Bis 500 Meter Entfernung ist das Krebsrisiko zwei bis drei mal höher und Krebspatienten sind etwa acht Jahre jünger als normalerweise. «Bei der Kälberstudie in Reutlingen kamen nur kranke Kälber zur Welt. Sie litten an grauem Star», berichtete der Experte vom Verein «strahlungsfreies Kreuzlingen». Nachdem die Antenne entfernt worden sei, hätte der Bauer wieder gesunde Kälber gehabt. In einer anderen Studie habe man zwei Kaulquappen-Gruppen auf einem Dach platziert. Die eine Gruppe sei abgeschirmt und die andere bestrahlt worden. In der bestrahlten Testgruppe seien 96 Prozent gestorben, bei den anderen nur fünf Prozent. «Studien belegen negative Auswirkungen von EMF auf biochemische Zellprozesse im Körper», verdeutlichte Zbornik.

Bei Grenzwerten haben Physiker die Oberhand
Langzeitrisiken würden immer mehr bestätigt werden, erklärte er weiter: «Einige Gerichtsurteile sind etwa in Italien oder Frankreich zudem noch hängig.» Bis jetzt habe man bei der Festlegung der Grenzwerte nur auf die Physiker gehört und dabei ausser Acht gelassen, dass Strahlung nicht nur direkt sichtbare Schäden hinterlassen könne. «Wer das Kleingedruckte bei Smartphones liest, findet sogar einen Hinweis, dass das Hinhalten des Geräts an den Kopf gefährlich ist. Die Werte sind für Erwachsene festgelegt und die haben eine dickere und somit weniger durchlässige Knochenstruktur als Kinder,» sagte der Strahlenexperte. Bereits ab 20 Sekunden Handy-Gespräch würden Verklumpungen der roten Blutkörperchen auftreten.

Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) bezweifle selber, dass die veralteten Grenzwerte wirklich ausreichenden Schutz bieten würden. Dennoch lockerte sie der Bundesrat. «Dahinter stehen Interessen der Industrie. Würde man es zugeben, hätte das haftungsrechtliche Folgen – auch für den Bund. Nebst weniger Konzessionsgebühren-Einnahmen könnte er ebenfalls rechtlich belangt werden», zeigte Zbornik auf. Die Grundhaltung der Mobilfunkindustrie sei heute dieselbe, wie die der Tabak- und Asbest-Industrie vor 30 Jahren. Es gäbe noch etliche Beispiele wie Benzol, Antibiotika oder Schwefeldioxid. Da hätte die Politik auch erst gehandelt, als es sozusagen schon zu spät war.

Andere Varianten bestehen
Die SBB nutze auf ihrem Schienennetz Kleinfunkzellen. Und in Ermatingen habe auf Umwegen ein Verbot von Grossanlagen im Siedlungsbereich, aufgrund des historischen Stadkerns, erwirkt werden können. «Sie sehen also. Andere Lösungen sind möglich. Man muss nur die richtigen Stellen miteinbeziehen und kämpfen.» Es soll vermehrt auf Glasfaser und W-Lan gesetzt werden, um die Risiken so tief wie möglich zu halten. «Dass eine Kirche einen Masten freiwillig bauen will, ist eher eine Seltenheit. Denn wie ich weiss, ist das Thema Funkmasten auch aus ethischen Gründen bei den meisten kirchlichen Gemeinden vom Tisch.»

Professor Volker Ullrich aus Triboltingen ist Biochemiker, früher an der Uni Konstanz tätig und jetzt im Ruhestand. Dennoch forscht er weiter: «Ich möchte anmerken, dass eine Grossanlage am Waldrand besser ist als im Dorf, aber dennoch Auswirkungen auf die Umwelt hat. Das sieht man den Bäumen in der Umgebung an. Bei uns im Ort fiel einst eine Schar von Vögeln herunter. Die Strahlung kann unter anderem Einfluss auf den Orientierungssinn haben.»

Gemeinde- und Kantonsrat Jost Rüegg meldete sich am Schluss zu Wort: «Selber bin ich fit und eher nicht anfällig für Strahlungen. Aber ich möchte mich dafür einsetzen, dass alle Menschen die gleichen Rechte haben und entscheiden können, ob und wie sie sich dem aussetzen wollen. Beim Thema Rauchen wurden schlussendlich aus Rücksicht auf Nichtraucher auch Massnahmen ergriffen.»

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