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«Asylwesen: Es ist viel passiert»

Kreuzlingen - Die Aufgaben der Arbeitsgruppe für Asylsuchende Thurgau (Agathu) sind zeit ihres Bestehens ständig im Wandel. Ihre Erfolge und Herausforderungen wurden zum 25-Jahr-Jubiläum gewürdigt. Gleichzeitig wurde aufgezeigt, dass die Agathu auch heute noch gebraucht wird.

Präsident Karl Kohli. (Bild: Emil Keller)

«25 Jahre mögen eine relativ kurze Zeit sein, aber bezogen auf die Fluchtthematik und das Asylwesen ist in dieser Zeit viel passiert», sagte Karl Kohli, Präsident der Arbeitsgruppe für Asylsuchende Thurgau (Agathu) zum Auftakt der Feierlichkeiten am Freitagabend. Die Geburtstagsfeier, zu der viele ehemalige und aktive Vereinsmitglieder, aber auch Vertreterinnen aus Politik, Wirtschaft und dem Asylwesen anwesend waren, musste aufgrund der Pandemie ein Jahr später stattfinden. Gegründet wurde der Verein am 23. Juni 1995, als nach 1989 eine zweite Flüchtlingswelle über die Schweiz rollte. Eine der vier Schweizer Empfangsstellen für Geflüchtete befand sich damals schon in Kreuzlingen. Das asylpolitische Klima im Thurgau war jedoch um einiges rauer.

Mit dem Zweck, Notsituationen für Asylsuchende abzuwenden und sie mitmenschlich zu begleiten sowie dahingehend zu wirken, dass sich Bund, Kanton und Gemeinden um eine menschenwürdige und gerechte Behandlung von Asylsuchenden kümmern, formierte sich um Pfarrer Paul Rutishauser die Agathu. Damals waren die freiwilligen Helferinnen und Helfer alles andere als gerne gesehen. Nach zwei Wochen etwa wurden dem Verein die Räumlichkeiten im Jugendhaus durch den Stadtrat wieder gekündigt. Auch das Bundesamt für Flüchtlinge zeigte wenig Verständnis für die Unterstützung durch die Organisation; an finanzielle Zuwendungen durch Stadt oder Bund war nicht zu denken. «Die Grundhaltung war, dass man mit Geflüchteten nicht freundlich umgehen darf, sonst kommen immer mehr», erinnert sich Karl Kohli an die schwierigen Anfangsjahre zurück. Der Tenor hat sich mittlerweile geändert: Die Stadt, aber auch die Bundesstellen sind froh um die Arbeit der Agathu.

Diese Annäherung geschah während des Arabischen Frühlings im Sommer 2011. In dieser Zeit kam es zu Übergriffen gegenüber Asylsuchenden in der Empfangsstelle. Gleichzeitig sorgten Asylbewerber für Störungen der öffentlichen Ordnung, von der auch das Flüchtlingscafé nicht verschont blieb. Seither trifft man sich bis heute regelmässig zu Gesprächen am runden Tisch. Es scheint ein Konsens zu bestehen, das bessere Betreuung der Geflüchteten weit mehr für den öffentlichen Frieden bewirkt als zusätzliche Sicherheitskräfte.

Unterschiedliche Rollen akzeptieren

«Wichtig in diesem Austausch ist, dass jeder die Rolle des Gegenübers respektiert und versteht», erklärte Martin Liechti an der anschliessenden Podiumsdiskussion, in der die Arbeit und Geschichte der Agathu beleuchtet wurden. Als stellvertretender Leiter der Asylregion Ostschweiz hat Liechti ein enges Korsett an Vorgaben in seiner tagtäglichen Arbeit zu erfüllen und kann nicht auf alle Wünsche der Agathu eingehen. Dort wo jedoch Spielraum besteht, kann Liechti die Anregungen seitens des humanitären Vereins aufgreifen. Durch den regen Austausch verlief die Umstrukturierung des Empfangs- und Verfahrenszentrum in ein Ausreisezentrum 2019 ruhig. «Im Vorfeld der Umstellung bestand in der Bevölkerung Unsicherheit bezüglich der Sicherheitslage», erinnerte sich Stadtpräsident Thomas Niederberger. Von Agathu vorgebrachte Bedenken und Gerüchte konnten seitens der Stadt entkräftet oder wo nötig angepackt werden. Obwohl die Belegung im Bundesasylzentrum ohne Verfahrensfunktion durch den Wechsel zurückgegangen ist, betonte Niederberger: «Es wird die Arbeit der Menschen vom Agathu weiterhin brauchen».

Für die Agathu hatte die Umstellung gravierende Folgen: es kommen weniger Besucherinnen und Besucher ins Cafe, welche durch ihre ausweglose Situation durch den negativen Asylentscheid meist deprimiert sind. «Die Erfolgserlebnisse sind weniger geworden», sagte Kohli und die Niedergeschlagenheit belaste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Vereins.

Dass die Arbeit dennoch von unschätzbarem Wert ist, zeigte der Einblick in die bewegende Lebensgeschichte von Nassim Mozaffari. Er kam 2014 als Geflüchteter in die Schweiz und während seiner drei Monaten im Bundesasylzentrum verbrachte er fast jeden Tag im Café der Agathu. Heute ist er selbst im Vorstand des Vereins tätig und setzt sich dafür ein, das Geflüchtete eine Chance bekommen: «Flüchtlinge nicht warten, sondern machen lassen», brachte Mozaffari seinen Wunsch an die anwesenden Entscheidungstragenden zum Ausdruck.

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